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  • freudholdriesenhar

Woher die Idee mit den Spermasocken?

Blog 39


Ich entnahm die Idee mit den Socken Charlotte Roches Roman ,Schoßgebete' von 2011: „Einmal habe ich im Wäschekorb eine Socke gefunden, die war voll mit Sperma. Ich bin mir sicher, dass es Sperma war, ich erkenne das auf zehn Meter Entfernung! Und ich bin, ohne nachzudenken, zu ihm hinmarschiert und habe ihn zur Rede gestellt. In dem Moment war ich mit Sicherheit von meiner Mutter besessen. Sie sprach aus mir raus und wollte wieder diese Beziehung zu diesem tollen, Socken vollwichsenden Mann zerstören. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie peinlich ihm das war, darüber reden zu müssen … Die Tretmine der Spermasocke ruht unter unserer Beziehung, und ich finde keine Möglichkeit, diesen peinlichen Ausraster meinerseits wieder ungeschehen zu machen … Und dann geht der praktisch mit einer Socke fremd! Wichst die voll anstatt mich. Warum fragt er nicht mich, ob ich Bock habe?“

Auf dem Bettvorleger nämlich liegt das Paar Socken, das er stets beim Schlafengehen dort abgestreift liegen lässt. Sieh da! Wäre nicht eine solche Socke vorzüglich geeignet, die Spuren seiner nächtlichen Ausschweifung zu verwischen und unkenntlich zu machen? Eine Socke dieser Art ist gleichsam schon ihrer Form nach wie ein Präservativ, ein Kalbs- oder Schweinedarm, den man sich beim Sex überziehen und bedenkenlos nass machen kann.

Als ordentliches Verhüterli im Bordell oder dergleichen eignet sich die Socke natürlich nicht, da sie empfindlich das Gleitgefühl stört und außerdem der Samen locker durchsickern würde; als Medium zur Masturbation dagegen ist sie wie geschaffen. Sie würde sein Sperma willig aufsaugen und auf dem Betttuch keine Spur hinterlassen. Am Ende lässt sie sich leicht abziehen und – ja, was aber dann?

Wohin dann mit der durchnässten Socke? Wie sie loswerden?

Wohin sie verschwinden lassen? Er kann sie ja nicht einfach wieder an ihren ursprünglichen Platz vor dem Bett deponieren, wo Mathilde leicht darauf stoßen und peinliche Nachfragen stellen könnte. Noch dazu, wo sie einen so guten Riecher hat, dass ihr das frische Sperma womöglich gar noch vom Läufer herauf in die Nase stäche. „Ich bin mir sicher, dass es Sperma war, ich erkenne das auf zehn Meter Entfernung!“

Auch kann er schlecht nur die eine Socke allein verschwinden und die andere an ihrem Ort lassen, was gleichfalls schier bodenlose und unbeantwortbare Fragen seitens der Hausfrau nach sich zöge. Kurzum, er muss im Falle eines Falles schon beide Socken zugleich Mathildens Aufmerksamkeit entziehen und gegebenenfalls so tun, als hätte er sie ausnahmsweise abends gar nicht hier liegen lassen, und sich am Morgen ein neues Paar aus dem Schrank heraus greifen.

Wie aber? ließe die nasse Socke sich nach getaner Aktion nicht einfach in die andere, trocken gebliebene stecken und diese halbnasse Doppelsocke, dieses verschränkte Sockenhybrid, nicht unter die beistehende table de nuit schieben, von wo er sie anderntags, wenn sie vielleicht schon wieder trocken wäre, bequem würde hervorholen und entsorgen können?

Das ist die Lösung! Das alles aber muss vor der eigentlichen Aktion geschehen, da es dann, wenn er einmal in Fahrt ist, zu spät dafür wäre.

Da ergibt sich schon das nächste Problem. Die beiden Socken liegen nämlich etwas weiter vom Bett weg auf dem Boden, so entfernt, dass er mit der Hand nicht an sie herankommt. Er kann sich auch nicht einfach so hoch im Bett erheben und über die Kante strecken, dass er sie erreicht, das würde zu viel Unruhe verursachen und Mathilden aufwecken, wonach der Plan definitiv im Eimer wäre.

Also schiebt er sich im Bett nur Stück für Stück, Millimeter für Millimeter, mit kaum wahrnehmbaren Verrückungen wie ein Käfer auf dem Rücken bis zum Bettrand vor, bis er mit der Linken bis hin zu den Socken auf den Boden reicht und sie locker aufklauben kann. Die eine legt er zu nachmaliger Verwendung auf dem Nachtkästchen ab, die andere, drängenderem Bedürfnis vorbehalten, deponiert er erwartungsvoll auf seinem Bauch. Das wäre geschafft, und der Pseudopräser ist gesichert.

Die Mitternacht zieht näher schon; in stummer Ruh liegt Babylon... In der Hitze der Nacht fühlt er nach seinem Schoß. Nicht so einfach, wie es sich anhört. Zwar liegt die schlafende Mathilde rechterhand auf ihrer rechten Körperseite, so dass sie nicht mitkriegt, was er anstellt; doch kann sie ja, spontan aus dem Schlafe schreckend, sich jederzeit auf den Rücken drehen und ihn auf frischer Tat ertappen. Er muss sich ihrer unzeitigen Aufmerksamkeit auf bestmögliche Art entziehen.

Ergo zieht er langsam, mit äußerster Behutsamkeit, das rechte Bein zusammen mit der Bettdecke so weit an, bis es mit der Decke überm Knie aufrecht steht und der unsicheren Schläferin der Ausblick auf seine linke Seite wirksam verhängt wird. Er geht äußerst sorgsam vor, kann eine übereilte Bewegung sie doch jederzeit zum Erwachen bringen. Die Rechte hält er sich frei, um die Decke je nach Bedarf im Griff zu haben. Danach muss er mit der Linken in seinen Schlafanzug fassen, wo sein hoffnungsfroh lungerndes Ding nach Erlösung heischt.

Das ist nicht so einfach, wie es klingt, denn jede Verlagerung seiner Extremitäten – Arm, Bein, Hand – bringt aus physikalischen Gründen entsprechend den Newtonschen Gesetzen auch eine Verlagerung des Körperschwerpunkts mit sich, die sich auf die Matratze überträgt und eine leichte Erschütterung hervorruft, von der Mathilde erwachen könnte.

So schiebt er seine Linke nur Millimeter für Millimeter mit kaum merklichen Bewegungen unter den Rand der Schlafanzughose bis vor zu seinem drangsäligen Ding. Sofort spürt er an seinem bei der leichtesten Berührung ihm entgegenschwellenden Fleisch den physiologischen Effekt, wie wenn allein durch den mechanischen Kontakt auch schon die Verbindung zu dem elektrochemischen Feld der Lust in seinem Gehirn – das Feld, in dem die Sexuallust besteht! – etabliert und in ein rückgekoppeltes psychophysisches Gleichgewicht gebracht wäre.

Er manipuliert das elysische Gefilde in seinem Kopf jetzt gleichsam direkt mit seinen Fingerkuppen, kann die Spannung und Ladung herauf- und herunterregeln, die Lust modulieren, und es ist ganz so, als hielte er Frisette, die Cancannière, ihm nackt hingegeben im Arm. Er bringt es sogar, als sein Schoß, um der Lust mehr Raum zu geben, nach breiter auseinander genommenen Beinen verlangt, fertig, das linke Knie so weit über den Bettrand hinaus abzuspreizen, dass in seinen Lenden eine gewisse optimale Spannung entsteht. Schon bei leichtester Berührung entfaltet sein Glied sich zu voller Größe. Jetzt, da die schlafende Mathilde nichts gemerkt hat, kann er sich nach Belieben Zeit lassen. Sollte sie mittendrin erwachen, kann er die Hand noch leichthin aus der Hose ziehen und so tun, als schliefe er mit aufgestelltem Knie.

Jetzt kann er, ohne die Decke aus den Fingern zu lassen, mit dem rechten Daumen zugleich auch noch das Gummiband seiner Hose weiter abspreizen, um der Linken ausreichend Bewegungsfreiheit zu geben. Eine Hand wäscht die andere.

Vorsichtig benetzt er die Finger der Linken mit etwas Speichel, was die Reizleitung fördert. Prall und strotzend ragt sein Schaft von der Wurzel her Richtung Nabel. Agostino Carraccis antiker ,Culte de Priape'! Gottfried August Bürgers Hymne ,An Priap'! Der namentliche ,Priap von Weimar'! Er sieht Frisette leibhaft vor sich auf der Bühne, und wie freizügig sie ,ihre lieben, langen, lasterhaften Beine' wirft, die Strümpfe mit der Trikolore und den Strumpfbändern bis zur Hälfte der Oberschenkel, und wie obenhin nur die dünne rote Seide des Höschens ihr junges, brachliegendes Möschen vor ihm verdeckt...

Als sie an seinen Tisch kommt, ihm etwas Gesellschaft zu leisten – heute ist er allein –, causiert er kosend eine Weile mit ihr und erfährt überflüssigerweise noch einmal, dass sie eigentlich Näherin ist und nur sporadisch als Tänzerin in Aktion tritt. Da ist genau der Ausdruck ihrer schelmischen Miene, die ihn so sympathisch angemacht hat. Noch am Tisch bringt er es zur Andeutung eines ersten zärtlichen, ihre Lippen nur leicht streifenden Kusses, was seiner Erregung einen flotten Kick gibt. Wenig später nimmt sie ihn unternehmungslustig beim Arm, um ihm ihre private Garderobe zu zeigen.

Da sie nur eine kleine Umkleidekabine für sich hat, sind sie allein. Da sitzt sie am Rand ihrer Chaiselongue, das Trikot hochgerafft bis dahin, wo er ihre Strumpfbänder sehen kann. Wie kommt es, dass Strumpfhalter bei Frauen ihn immer so in Aufregung versetzen? Ist es einfach nur, weil sie links und rechts der Stelle sitzen, an die man dadurch erinnert wird? Die Vorstellung, zusammen mit dem Druck seiner Finger, bringt ihn auf Touren. Da Mathilde tief schläft, kann er sich Zeit lassen. Das imponiert den Frauen immer, und bestimmt auch Frisette, wenn man keine Eile hat. Soll er vielleicht, den Kitzel etwas hinauszuzögern, gar warten, bis sie von sich aus zu ihm kommt? Er wartet. Sein Ding kann kaum weiter mehr schwellen, aber das neuronale elysische Feld in seinem Kopf kann immer noch expandieren, der Steppenbrand noch wütender über die zerebrale Savanne rasen. „(Liebeswahnsinn! Pleonasmus! Liebe ist ja schon ein Wahnsinn!)

Jetzt steht sie von ihrer Chaiselongue auf und stellt sich hinreißend lockend vor ihn hin. Obwohl sie weiß, dass er verheiratet ist. Da sie kaum was anhat, hat er ein leichtes Spiel. Langsam streift er die Träger des Trikots von ihren Schultern, langsam, langsam über die lianenschlanken Oberarme, bis vorn der Stoff wie ein welkes Blatt von ihr abfällt und er mit dem Mund an ihre rosig vorscheinenden Brüstchen kommt. ,Ô Sanguine, joli fruit!Soleil de nuit!'

Kosend umkreist seine Zunge ihre steil aufstehenden Nippel. Ihre Nippel haben noch einen kleinen rundlich geblähten rosigen Aufsatz, so dass es wirkt, wie wenn den Brüsten noch einmal kleine Brüstchen aufgesetzt wären – eine luxuriöse Redundanz und Üppigkeit, die ihn schon immer besonders verrückt gemacht hat. Das übrige Kostüm lässt er, wie es ist, um ihre Hüften hängen, so dass sie, weil es seine Geilheit reizt, nur oberhalb und unterhalb nackt ist und mittlings durch den zusammengerafften Tüll drapiert bleibt. Auch die durchsichtigen Strümpfe mit den Strumpfhaltern und dem Flaggenrand lässt er ihr an.

Dann streift er ihr mit beiden Daumen unterm Gummiband das rote spitzenbesetzte Dessous ab – es geht alles so leicht, so ätherisch leicht, ,es sind nur schöne Schatten, verkörperter Mondschein, in den Adern Milch', und Mathilde schläft schnarchend, und er sieht – er, nur er, der Gebenedeite unter den Männern –, wie es unterm Cache-sexe lockend hervorkommt, wie es von den schlanken Schenkeln an, die die Besucher des Etablissements mit Blicken verschlangen, nach oben hin weitergeht.

Eine flüchtige Assoziation an die Phantasien seiner Jugend über Kleists Novelle ,Die Marquise von O...' wandelt ihn an, als der Graf F... die ohnmächtige Juliette in der Scheune findet und ihr das hochgerutschte Kleid wieder züchtig herunterziehen will, – am Saum aber einen Augenblick, wohl einen winzigen Augenblick zu lange säumt, dann den Blick nicht mehr von dem golden lockenden Vlies lassen kann, mitten in der Bewegung wie gelähmt innehält – und ihr, wie unter hypnotischem Einfluss, den Stoff gerade verkehrt herum wieder abstreift …

Das Dessous abstreifen, während die Strümpfe mit den Strapsen dranbleiben – geht das überhaupt? Gleichviel, egal, das spielt jetzt keine Rolle, darauf kommt es nicht an, Wollust bedarf keiner Logik. Das ist genau die Form ihrer Beine, ihrer lieben, langen, lasterhaften Beine, wie sie sich in sein Fleisch gebrannt haben und er sie in entfesselter Phantasie wieder remodelliert, remoduliert.

Das ist genau das dunkel schimmernde Delta der Venus, wie es sich unterm spärlichen Cache-sex konturiert und in sein Hirn geprägt hat. Er erinnert sich an das Lied ,Blutorange' seines französischen Lieblingssängers, das er einmal gehört hat: ,Ô Sanguine, joli fruit! Soleil de nuit!' Oder wird er es erst noch hören?

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