Blog 79
Apropos, was ist da eigentlich bei den sogenannten ehelichen Pflichten die Norm, die Konvention, der Rousseausche Gesellschaftskontrakt?
In allen menschlichen und gesellschaftlichen Belangen gibt es ja eine Art Norm, die in einer Art Rousseauschem contrat social die Beziehungen zwischen den Menschen regelt. Was aber ist der contrat social für den ehelichen Beischlaf, sprich, die Beiwohnung?
Muss die Frau ihrem Mann immer dann, wenn ihm danach ist, auch zu Willen sein? Muss der Mann es seiner Frau immer dann besorgen, wenn es sie, was allerdings seltener vorkommen dürfte, danach verlangt?
Antwort: Müssen sie nicht, weder in der einen noch der andern Richtung! Durch einen modernen fortschrittlichen Paragraphen des parlamentarisch-demokratischen Gesetzgebers ist die ,Vergewaltigung in der Ehe' explizit geächtet!
Abgesehen von diesem gewalttätigen Extremfall aber gibt es hier kaum eine allgemein anerkannte, allgemeinverbindliche Norm, die auf einem gesellschaftlichen common sense beruhte.
Im goldenen Zeitalter war es offenbar so, dass die Frau immer dann still-, her- und hinhalten musste, wenn's ihn danach verlangte und gelüstete. Das wurde legal geändert. Im zivilisierten Zeitalter moderner demokratischer Gleichberechtigung und Emanzipation heißt das, was der Mann tut, wenn seine Frau nicht will, und die Frau tut, wenn der Mann nicht will – was allerdings seltener vorkommt –, ,Vergewaltigung in der Ehe', ist streng verpönt und steht unter Strafe. Die Sache bleibt offenbar dem einvernehmlichen Ermessen der jeweiligen Partner selbst überlassen.
Ist das erhört? Was also fängt der Mann an, wenn ihm danach ist, er aber merkt, dass sie gerade nicht will? Und warum sollte sie's jemals wollen? Soll er darauf Rücksicht nehmen und sie in Ruhe und Frieden lassen – oder nichtsdestotrotz versuchen, sie herumzukriegen? Und was, wenn sie allem Gutzureden zum Trotz nicht will, fängt er an? Soll er sich dann selbst einen von der Palme wedeln?
Mit einem Wort, es herrscht da das völlige Chaos, die reinste Anarchie.
Auf eine seltsame analoge Art scheint die menschliche Gesellschaft im Sex auf die gleiche Art im Trüben zu fischen wie in ihrer jüdisch-mohammedanisch-christlichen oder deistisch-pantheistischen Religion. Die Parallele ist verblüffend: Gerade so wie die Menschen auf Teufel komm raus nicht wahrhaben wollen, dass es keinen Gott und kein Jenseits und auch kein ewiges Leben gibt, – geradeso wenig wollen sie wahrhaben, dass es keinen weiblichen vaginalen Orgasmus gibt! Infolgedessen lavieren sie sexuell geradeso unbedarft und dilettantisch herum wie in ihrem metaphysisch verschwiemelten Weltbild. Ob beides wohl miteinander zusammenhängt? Wenn ja, dann ist es die aller wissenschaftlichen Aufklärung zum Trotz allenthalben immer noch herrschende Heuchelei und bigotte Unwahrhaftigkeit, mauvaise foi. Anstatt endlich aus ihrer tausendjährigen Selbsttäuschung zu erwachen und ihre wahre Situation zu erkennen, träumt es ihnen immer noch von einer heilen Welt prästabilierter Harmonie, auch im Sex.
Sicher trägt die fehlende offizielle Regelung, wo keiner sich mehr auskennt, dazu bei, dass, wo die Partner sich in der Frage nicht einig werden, die Scheidungszahlen in astronomische Höhen schnellen. Ist das mit ein Grund unter anderm, warum das Christentum von Anfang an mit der Fleischeslust nicht zu Rande kam und sie überhaupt zur Schmach und Schande in Grund und Boden des ,Sündenfalls' verdammte?
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