Blog 122
„Wir gucken Pornofilme, um uns in eine Art Rauschzustand zu versetzen…“, so Elizabeth Kiehl. „Wir vergessen alles um uns herum, als hätten wir Sexdrogen genommen.“ Die neue Erfahrung wirkt sich bereits in der instinktiven physischen Reaktion von Mann und Frau aus: Nicht nur sein Genital ist auf andere Art erregt als sonst früher, – gleichwie als ströme das Blut auf ganz andere, vollere Art hinein, als würde es von der Wurzel her aufgepumpt, – in direkter neuronaler Wechselwirkung mit der elektrochemischen Erregung seines Gehirns, die sich in sich selbst verstärkender positiver Rückkopplung auf sein Fleisch überträgt. Am Ende liegt es strotzend prall und schwer von Samen in seiner Hand, die tiefe, heiße Süße gesichert und auf gutem Wege zur äußersten Verzückung, in Erwartung erlösender eruptiver Entladung.
Auch ist ihr beider Orgasmus dann ungleich intensiver, fast würden sie sagen, chthonischer, tellurischer: Die Welt des realen zwischengeschlechtlichen Verkehrs ist das Eine; die Welt der einsamen Selbstbefriedigung eine andere; und die Masturbation vor der Pornoleinwand und dem Onlinebildschirm noch etwas ganz anderes. Denn, so Choderlos de Laclos in seinem Roman ,Gefährliche Liebschaften': Etwas wissen Sie nicht, nämlich dass die Einsamkeit die Glut der Begierde ins Ungeheure schürt. Geradeso ,ungeheuer' wie die angestaute Glut der Begierde ist dann deren hedonistisches Genüge im ipsistischen Potenzial des Ichs!
Dies alles allerdings geht nicht von einem Augenblick zum andern. Die Lust sammelt sich und akkumuliert erst mit der Zeit. Es scheint ganz so, als wirkten von den flirrenden Sirenen der Leinwand, deren aufreizende Eindrücke er auffängt, jeder für sich auf jeweils andere Zellen und Areale der Lust, und addierten und summierten sich solcherart mählich zu einer Gesamtwirkung auf. Und erst wenn er lange genug – manchmal über Stunden – im Kinosessel saß und die aufgeilenden Muster kontinuierlich auf sich hat einströmen und gleichsam einsickern lassen, – ist er am Ende so durchdrungen, durchtränkt und gleichsam durchsogen von den hormonell releasten Endorphinen, dass eine ultimative Friktion und Pressung seines Fleisches genügt, um sein Blut in äußerster Verzückung explodieren und das ganze Paradies sich entfesseln zu lassen. Ihr geht es nicht anders.
Auch ist die Natur dieser äußersten Verzückung schon rein physisch eine andere: Bisher hat er es, um – im Bordell wie bei der Onanie – zum Höhepunkt zu kommen, mehr oder minder immer durch bewusste Friktionen physisch forcieren, manchmal mehr, manchmal weniger – wenn er von der Sehnsucht nach einer bestimmten Frau bereits genügend aufgewühlt war –, stets aber doch willentlich erzwingen müssen. Nur selten stieg sein Blut, in erregten Zuständen des Geistes und der Seele, spontan von sich aus zu solcher Erregung an, dass der geringste Druck genügte, das Paradies zu entfesseln; niemals hat er sich bloß zurückzuhalten brauchen, um die Glut zu verlängern, stets kostete es ihn die Anstrengung der Phantasie. So auch bei Nathalie Weidenfelds Orangenprinzessin: Ich lasse mich wieder auf das Bett fallen, reibe meine Schenkel aneinander, presse sie fest zusammen und zwinge meine Lust heraus ...
Ganz anders im Film: Schwelgt er in seinem Palast der Lüste nur lange genug, so steigt, gleichwie infiltriert und angesaugt durch den mächtigen Sog aufreizender Bilder, sein aufgerührtes Blut spontan von sich aus an. Sein Samen, akkumulierend und sich stauend, drängt zum ultimativen Erguss, und so, „am Rande des Wollustabgrundes schwebend (dies Ausbalancieren eines physiologischen Gleichgewichts, das sich mit gewissen Kunsttechniken vergleichen lässt)“, „da die tiefe, heiße Süße gesichert und auf gutem Wege zur äußersten Verzückung“ ist, hat er eher leidenschaftliche Mühe, sich zurückzuhalten, um die Glut zu verlängern und sich nicht – eiaculatio praecox – vor der Zeit zu entladen...
Und erst dann, wenn es nicht länger mehr geht, er sich nicht länger mehr beherrschen kann oder mag – oder eine besonders geile Szene der Leinwand die Explosion zu zünden droht –, – erst dann lässt er der Sache freien Lauf, lässt seiner Ekstase die Zügel schießen. Und dann, entfesselt durch eine letzte orgiastische Friktion, fliegt wie in ,Ulysses' „eine Rakete hoch, und ein heller Knall und O! – dann birst die Leuchtkugelröhre und alles seufzt O! und jeder schreit O! O! voller Begeisterung, und aus ihr heraus bricht ein Strom goldenen, haarfeinen Goldregens und sie teilen sich und ah! jetzt sind es lauter grünliche, tauähnliche Sterne, die herabfallen mit goldenen O! so herrlich! A! so weich, süß, weich!“ – und sein Sperma schießt und quillt schubweise hervor wie der siedende Sud aus einem unterirdischen Geysir.
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