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In meinem Roman ,Des Lebens flaumenleichte Frühe' (Kindle-Taschenbuch) stößt der junge Harry in der Arche Noä unter anderm auf ein Arztbuch seines Großvaters über Eheberatung, ,Die sinnliche Frau' – andere Frauen sind wohl nicht erst angesprochen. Darin steht beschrieben, wie die Frau das männliche Glied idealerweise erregen soll. Dabei soll ihre Hand es genau so umfassen, dass der Daumen oberhalb, ihre vier Finger aber geschlossen nebeneinander so unterhalb am Penis liegen, dass sie sie deutlich die besonders empfindsame, etwas geblähte Schwellung unterhalb der Eichel an den Fingerkuppen pulsieren fühlen. Laut Buch spüren sie dann, wenn sie den Daumen gegen die vier Finger pressen, genau, welchen Druck sie jeweils ausüben müssen, um den Mann in optimale Erregung bringen. Je öfter und stärker ihre Finger die Haut aufwärts und abwärts streifen, desto steifer und fester wird sein Glied. So lernen die Ehefrauen aus dem Buch, wie sie genau vorgehen müssen.
Das Gleiche ist mutatis mutandis mit Mund und Zunge möglich: „Dies ist wirklich sinnlich“, heißt es da. „Beim ,seidenen Strudel' umkreisen Sie mit der Zunge den Penis, während Sie ihn in Ihren Mund herein- und hinausgleiten lassen, im und gegen den Uhrzeigersinn. Sie werden es zunächst etwas mühsam finden, beide Handlungen miteinander zu koordinieren, doch Übung wird zeigen, dass es die Anstrengung lohnt – um der Wirkung willen, die der ,seidene Strudel' auf den Mann hat …
Eines der erregendsten Dinge, die Sie bei Ihrem Mann anstellen können, ist das ,Schmetterlingsflattern'. An der Unterseite des Penis gleich hinter der Spitze ist eine Furche, ,Corona' genannt. Direkt unterhalb der Corona ist ein zartes, vertikal verlaufendes Häutchen. Dies ist der empfindlichste Bereich des männlichen Körpers. Um ihn sofort zur Ekstase zu treiben, nehmen Sie die Zunge und flattern Sie damit leicht vor und zurück über dieses Häutchen – gleich einem zarten Zupfen an einem Banjo. Nun lassen Sie ein paarmal Ihre Zunge zum Ende des Penis gleiten und wieder hinauf, mehrere Male, und dann kehren Sie zum ,Schmetterlingsflattern' zurück, nur dass Sie dieses Mal die ganze Unterseite des Penis auf- und abflattern. Fahren Sie fort, bis der Mann um Gnade bittet.“
Dabei sollen sie, wenn sie es mit der Hand machen und Rechtshänderinnen sind, dafür lieber die linke nehmen, weil sie dann nicht zu fest zugreifen und mehr Gefühl in die Sache legen ... –
Das Buch begnügt sich aber nicht mit der reinen Theorie, sondern führt auch in extenso vor, wie es angeblich die großen klassischen Liebesdienerinnen der Antike – eine Lais von Korinth oder Hykkara, eine Thaïs oder Phryne von Athen – virtuos praktiziert haben sollen. Nicht einmal in Ovids Ars amatoria – ,Liebeskunst' – ist es so detailliert beschrieben, was wohl einiges heißen will. Wie folgt.
Zu Beginn, hat die Frau das Glied des Mannes erst aus der Hose und dem Unterzeug genestelt und freigelegt, kommt das männliche Organ, genannt Penis – vulgär, Schwanz –, so unscheinbar und verkrümelt zum Vorschein, dass kaum jemand auf die Idee käme, dass sich etwas Anständiges damit anfangen ließe und zu welch stolzer Größe und eindrucksvollen Erscheinung es sich unter den Händen einer kundigen Kurtisane entfalten wird. Hässliches Ding! sagt Büchners Danton einmal. Beim christlichen Vorhautadel, wie Heine es einmal nennt, liegt die Eichel, glans penis, eingeschrumpft und verschrumpelt unter der Vorhaut, praeputium penis, bei den Beschnittenen dagegen liegt sie offen und abgeschürft zutage.
Man würde dem Ganzen wie gesagt nicht zutrauen, dass sich etwas Redenswertes damit anfangen lasse. Kaum aber hat die nackte, etwas auf den rechten Ellenbogen gestützt am besten links vom Mann liegende, kundige Konkubine es etwas zwischen Daumen und zwei Fingern der linken Hand genommen und mit gespitzter Zunge an der Unterseite am Bändchen, frenulum glandis, geleckt und gezüngelt, da beginnt der Muskel sich bereits zu strecken und merklich zu versteifen. Hervorgerufen wird die Erektion laut Wiki „durch Steigerung des Blutzuflusses und Drosselung des Blutabflusses in den Schwellkörpern und stellt eine übliche Voraussetzung des Geschlechtsverkehrs dar. Auch die weibliche Klitoris ist zur Erektion fähig.“
Sie hat die Finger etwas befeuchtet und eingespeichelt, weil das die Reizleitung der Nerven merklich fördert. Die erfahrene Phryne kitzelt nur ganz leicht und kaum spürbar, damit der Reiz erst ganz allmählich und kontinuierlich wie aus dem Nichts heraus eintritt. Das Bändchen strafft sich, die Eichel schwillt an, bis sie aussieht wie ein praller Fischkopf mit Kiemen, und je länger die Frau – besonders beim Schmetterlingsflattern – daran züngelt und leckt und lutscht und saugt, desto mehr füllt der Muskel sich mit Blut und gewinnt an Umfang. Gleichzeitig damit schiebt und zieht sie die Penishaut vor und zurück, was immer wieder die Spannung des Bändchens und damit einen größeren Reiz hervorruft. Sie kann sogar das ganze Glied, Glans voran, in den Mund nehmen, um den seidenen Strudel und das Schmetterlingsflattern im Mund auszuführen, wobei sie je nach Bestückung ihres Partners den Kiefer mehr oder weniger weit aufmachen muss. Es wurde schon von Fällen berichtet, bei denen sie sich ihn dabei ausgerenkt hat.
Das ist die klassische Fellatio, im Volksmund vulgär ,Schwanzlutschen' genannt, eine überall gängige Praxis, und die erfahrene Liebesdienerin geht dabei äußerst behutsam vor – nicht allein, um das empfindliche schleimhäutige Organ nicht zu verletzen, sondern auch und vor allem, um die männliche Lust kontinuierlich zu modulieren und dabei keine Stufe überstürzt zu überspringen und auszulassen, – und je sensibler und länger sie so weitermacht, desto steifer und praller wird der Phallus. Die meisten Frauen rubbeln und schrubben vielleicht einfach wild drauflos, bis er abspritzt; damit aber ist nichts gewonnen; das erlaubt keinerlei akkumulierende Modulation der männlichen Lust. Die Blowjobberin selbst merkt an der stetigen Zunahme von Volumen und Härte ihres Spielzeugs, ob sie dabei richtig vorgeht. Zumal dem reflexhaften Erschauern und Zucken des Muskels und sonstigen reflexhaften Reaktionen kann sie entnehmen, wie weit die Geilheit des Mannes bereits fortgeschritten ist. Fährt sie nur genügend lang und geschickt damit fort, kann sie ihn allein dadurch bereits zum Orgasmus bringen.
Hat sie ihn auf den Punkt maximaler Erregung gebracht, steht, wie sie genau merkt, unmittelbar seine Ejakulation bevor. Der Priap ist jetzt optimal aufgebläht und hart wie Holz, kann jederzeit bersten und sich entladen. Da wird sie ihren Job kurz unterbrechen, innehalten und – den Mann mit gehauchter Stimme fragen, ob sie so weitermachen soll und er bereits unter ihrer Hand und Zunge kommen will: „Soll ich noch weitermachen...?“, haucht und flüstert sie.
Jetzt liegt die Entscheidung bei ihm: Antwortet er, durch ihre Virtuosität gebannt, bejahend, wird sie Druck, Geschwindigkeit und Reibung von Zunge und Fingern entsprechend verstärken. Es ist klar, dass dies ist die heikelste Phase des Blowjobs ist: Nichts ist so schwierig, wie den Partner zu masturbieren, und das möglichst zu optimaler Ekstase! Eine sensible gelehrige Phryne wird nach einiger Übung genau wissen, wann und wie sie jeweils genau nachlegen muss; andere dagegen lernen es nie und rubbeln einfach wild drauflos. Ein gleichwie elektrisiertes, konvulsivisches Zucken seines Glieds kündigt ihr seinen unmittelbar bevorstehenden Orgasmus an. Er ist, schreibt ein moderner Autor, auf einer Seinsebene, wo nichts gilt außer dem Lustgebräu, das in seinem Körper gärt. Was als genussreiche Dehnung seiner innersten Wurzeln begann, ist zum glühenden Prickeln geworden, das sich jetzt in einem Zustand absoluter Sicherheit, Zuversicht, Zuverlässigkeit befindet, der nirgends sonst im bewussten Leben zu finden ist. Nun, da die tiefe, heiße Süße gesichert und auf gutem Wege zur äußersten Verzückung ist, weiß sie, dass sie sich zurückhalten darf, um seine Glut zu verlängern. Je geiler sie ihn gemacht hat, desto frenetischer wird sein eruptiver Erguss.
Natürlich hängt der Erfolg der Dame nicht allein von ihrer Kunst, sondern nicht zuletzt immer auch davon ab, wie hoch der Erregungsspiegel ihres Liebesobjekts von sich aus ist. Ist der Erregungsspiegel besonders hoch, etwa wenn ihr Objekt schon länger keinen Sex mehr gehabt hat –und also die Refraktärphase genügend lange ist – oder er besonders scharf auf ihren Appeal reagiert, dann hat sie leichtes Spiel und wird ihn in gehörige Ekstase bringen. Ist sein Erregungsspiegel relativ niedrig, etwa weil er erst vor kurzem orgasmiert und ejakuliert hat – und also die Refraktärphase nicht ausreicht –, oder er der Dame sonst nicht viel abzugewinnen vermag, ist alles verlorene Liebesmüh, denn wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Beim Unvermögenden ist auch durch Zwangsvollstreckung nichts einzutreiben.
Im orientalischen Harem soll es gar eine Konkurrenz gegeben haben, welche der Odalisken ihren Herrn zur größten Ekstase bringt. Am einfachsten war das daran zu messen, wie weit der bei der Ejakulation abgehende Strahl reichte. Manchmal klatschte er noch entfernt stehenden Eunuchen auf die Stirn, was dann als besondere Gunstbezeigung des Herrschers galt. Das letzte Wort aber hatte immer der Scheich persönlich, denn niemand kann seine Lust besser abschätzen als das ejakulierende Subjekt selbst. Die entsprechende Dame soll er dann nicht selten zu seiner Lieblingssklavin oder -frau erkoren haben.
Aber noch einmal erst wird sie ihn, ohne unbedingt ihr Handwerk zu unterbrechen, fragen, wohin genau er abspritzen will: ins Blaue hinein wie Onan in der Bibel, oder stattdessen in ihren Mund oder ihr Gesicht, auf ihre Brüste, oder wohin sonst? Dann, nach erfolgtem Bescheid, ein letzter massiver Druck und Ruck ihrer Finger (die Zunge wäre jetzt dafür zu schwach!) auf die Unterseite am Bändchen, – alsbald, wenn der Muskel reflexhaft aufzuckt, ein wiederholtes festes Rucken und Rubbeln, – und in mehreren orgasmischen Schüben, zwischen denen sie jeweils ein forciertes Schrubben nachlegt, kommt er, um nochmals Nabokov aus ,Lolita' zu zitieren, „mit der Macht der längsten Ekstase, die Mensch oder Monstrum je erfahren hat“, – und der heiße Schwall seines Samens ergießt sich wunschgemäß in ihren Mund, ins Gesicht, auf ihren nackten Leib etc.
Die Phryne wird, wenn ihr danach ist, höchstens noch darauf achten, dass das Ejakulat ihr nicht in die Augen geht, woraus es dann wieder entfernt werden muss, was immer etwas lächerlich aussieht – so, wie wenn sie weinen würde –, der Rest kann ihr egal sein. Spritzt er ihr in den Mund, fühlt es sich an wie Haferschleim. Besonders skrupulöse Phrynen fragen manchmal noch nach, ob sie das Ejakulat schlucken sollen: „Soll ich es schlucken?“, hauchen sie. Ist ja bloß warme Milch aus harmlosen Nukleinsäuren und Proteinen. Versierte Liebesdienerinnen lecken ihm den Rest Sperma sogar noch von der Eichel oder verreiben es sich über Bauch, Scham und Brüste. Das ist dann reine Geschmackssache.
Nun aber, wir unterbrachen an dem Punkt, wo der Mann bereits kurz vor dem Orgasmus steht und sie ihn fragt, ob sie weitermachen soll, und er bejaht. Im Regelfall wird er allerdings eher in ihrem Schoß kommen wollen. „Nein, warte!“, wird er sagen und sich von ihr lösen. Dann bricht sie die Schwanzlutscherei ab, wirft sich, immer noch links von ihm, auf den Rücken und spreizt weit die Beine, um ihm den nötigen Raum zu schaffen. Er rollt sich wild vor Begierde, wie er inzwischen ist, über sie und dringt ungestüm in sie ein.
Da er bereits aufs äußerste erregt ist und nicht wieder abflauen will, genügen meist wenige Stöße, bis er kommt und sich in mehreren orgastischen Schüben eruptiv in sie ergießt. Die erfahrene Phryne spürt an dem Phallus in sich, hart wie Holz, ziemlich genau, wie viel es noch bis zu seiner Ejakulation braucht. Sie kann den Verlauf dadurch steuern und gegebenenfalls beschleunigen, dass sie ihren Schoß aus dem Becken heraus gegen ihn stößt. „Also kneife ich alles, was ich an Scheidenmuskulatur habe, zusammen“, so Elizabeth Kiehl in Charlotte Roches ,Schoßgebete', „und sofort, aber wirklich sofort, kommt er, da kann der gar nichts gegen machen. Das gibt mir immer ein sehr wohliges Gefühl, dass ich mit meinem inneren festen Klammergriff um seinen Schwanz selber in der Hand habe, wann Feierabend ist. Toll.“
Am heißen Schwall seines Spermas in sich kann sie ermessen, inwieweit sein Orgasmus optimal und ihr Dienst vollendet war. Der Rest ist Erfahrung und Routine. Die Soße spült sie sich dann eventuell wieder aus der Muschi.
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