Blog 127
Die erste Version von Harrys freudianischem Experiment verläuft wohl wie folgt: Kaum nämlich ist er bis zum Anschlag ganz zwischen Melissas Labien eingedrungen, als er spürt, wie durch den dadurch bedingten Zug, oder Ruck, seine heiß gestaute Glut einen zusätzlichen Kitzel erfährt, spürt, wie es ihm auch schon kommt, er sich in der spontan wie von selbst eskalierenden Lust nicht mehr zu halten vermag, er, verstärkt durch ein paar letzte karnickelartig heftige Stöße, – wie in dem modernen Roman – mit der Macht der längsten Ekstase, die Mensch oder Monstrum je erfahren hat, in ihr zerbirst und sich in mehreren Schüben, konvulsivisch ihren käuflichen Schoß mit seiner heiß hervorschießenden Milch flutend, orgasmisch in ihr entlädt und die letzte Zuckung in ihren Innereien verebben lässt.
Dann spürt er sich reflexartig in ihr erschlaffen und sein Genital eher, als dass er es bewusst herausziehen müsste, von selbst aus ihren gewässerten Schleimhäuten rutschen.
Aber auch wenn wir nicht solcherart übertreiben und annehmen, dass es auch nur eine annähernde Form jenes Genusses ist, den er sich selbst durch einen ultimativen Druck auf sein Glied hätte verschaffen können, – selbst dann ist es doch ein relativ gesättigter Erguss … –
Das ist die erste Version von Harrys Experiment, und der Nachteil der Methode, wie er sich sofort bewusst wird, ist natürlich, dass, während er selbst zu einem einigermaßen lässlichen Abgang kam, bei seiner Partnerin davon keine Rede sein kann. Melissa war ja nicht einmal genügend angeturnt und hatte in der Kürze der Frist auch gar keine Zeit, so erregt zu werden, dass auch sie ihr Kommen hätte haben können oder es sich sozusagen für sie überhaupt erst gelohnt hätte, zu kommen. Während er sich in ihr aalte und ekstatisch in sie ejakulierte, blieb sie halbwegs auf der Strecke und sah ihrer eigenen Lust in die Röhre.
Zwar ist das bei einem käuflichen Flittchen als Berufsrisiko vielleicht noch zu akzeptieren, bei einer natürlichen Buhle und normalen Geliebten aber wäre es fatal und völlig indiskutabel! –
Die zweite Variante des Experiments verläuft wesentlich anders. Denn hier scheint sich – seltsam! –, kaum ist er zwischen ihre inneren Labien gedrungen und sein überhitztes siedendes Fleisch von ihrem temperierten Fötzchen lauwarm umschlossen, – bestätigt sich unfehlbar sein schon instinktiver Verdacht, und er bekommt spürbar mit, wie seine gespannte Geilheit wie automatisch und reflexhaft abflaut. So sehr er auch in ihr wühlt und pflügt und sich an ihren vaginalen Häuten scheuert – seine ekstatische Erregung lässt unweigerlich, unwiederbringlich nach.
Es ist, als sei er, indem er aus dem Medium libidinöser Phantasie und ideeller Wollust in die nüchterne Sphäre physischer Realität überging, gleichwie aus einem ätherisch spirituellen Medium in ein damit ganz heterogenes und unvereinbares stofflich materielles gewechselt.
Wie wenn ein einfallender Lichtstrahl sich knickend an der Wasseroberfläche bricht. Wie wenn er aus der dampfend schwülen Sauna unter eine kalte Dusche käme.
Als sei er von Alkohol zu Zuckerwasser oder von schweren betörenden Weinen zu abstinentem Apfelsaft übergegangen.
Hier, in der zweiten Version, also geht seine spekulative Wollust nicht auf. Nicht nur fehlt in Melissens Muschi der richtige Druck im richtigen Moment an der richtigen Stelle seines zur Unzeit eingedrungenen Fleisches, – er findet auch keinen passenden Zugang mehr zu dem Feld sexueller Erregung in seinem Gehirn und kann es nicht weiter mehr schüren.
So, statt sein Glied gleich einem geblähten Ballon stetig weiter aufzublasen, aufzuplustern und schließlich wollüstig bersten lassen zu können, – spürt er stattdessen resigniert, wie unaufhaltsam die Luft daraus entweicht und er mählich wieder erschlafft und erkaltet.
Was tun? Die einzige Option wäre, sich im Schoß seiner Konkubine neu zu erregen, doch stehen die wahllosen vaginalen Friktionen in keiner organischen Beziehung mehr zur eigentlichen Natur der Phantasien, die zu seiner ursprünglichen spontanen Geilheit führten. So sehr er krampfhaft versucht, sich seiner ersten Vorstellungen vor dem Erscheinen Melissas zu erinnern – und was ihn daran so besonders angemacht hat –, und krampfhaft versucht zu retten, was zu retten ist, – es will nichts fruchten …
Am Ende gelingt ihm ein leidlicher Abgang, in dem er sich lau in Melissens willigen Schoß ergießt. Das ist aber paradox: wenn er, um bei einer Professionellen wie ihr auf seine Kosten zu kommen, erst wieder auf seine einsamen ipsistischen Phantasien zurückgreifen muss, ausgesprochen lachhaft ist das! Hätte er da nicht geradeso gut auch gleich, und ohne zusätzliche Expensen, und besser, bei seinen solitären Phantasien bleiben können?
Der Vorteil dieser zweiten Version ist höchstens, dass dabei durch den verlängerten und praktisch neu inaugurierten Koitus seine Buhle vergleichsweise mehr als von dem Schnellschuss der vorherigen ersten Version hat – oder haben sollte, gesetzt, Melissa habe durch den Koitus mit ihrem schwierigen Kunden auch selbst überhaupt was gehabt!
In summa, beide Methoden sind in vergleichbarem Grade höchst unbefriedigend und nicht zielführend. Ersterenfalls hat die Frau so gut wie nichts davon, letzterenfalls bleibt seine eigene Lust hinter ihrem ipsistischen Ideal zurück.
Er muss erkennen, die phantasieerzeugte ipsistische Lust ist nicht durch den Sex mit einer Prostituierten – und vielleicht auch mit jeder anderen Frau nicht – zu approximieren. Hat dabei, und nicht nur der gewöhnlich gebotenen Eile wegen, die erotische Phantasie doch überhaupt keine Chance, sich zu entfalten! Auch kann er sich nicht mit der notwendigen Muße in Wallung bringen. Was würde Melissa von ihm denken, wenn er ihr vor Augen erst stundenlang masturbieren wollte, um sich in den entsprechenden Zustand zu bringen?
Dann aber, unter diesen Umständen, kommt er durch den käuflichen Sex aber auch niemals in jenen Rauschzustand der Lust wie in seiner einsamen Phantasie! Der zwischengeschlechtliche Koitus tritt hedonistisch in Wettbewerb zur Onanie, dabei aber ist es wie der Wettlauf des Hasen mit dem Igel: Wo der Hase Koitus ankommt, ist der Igel Ipsismus immer schon da.
Es ist bei den Flittchen im Bordell ungefähr so, als kehrte er aus seinen libidinistischen Träumen zur nüchternen phantasielosen Wirklichkeit zurück, gleichwie ein buddhistischer Mönch aus den metaphysischen Sphären seiner Meditation im säkularen Alltag seines Klosters erwacht. Oder wie ein Trunksüchtiger, der vor dem ultimativen Rausch zu Selterswasser wechselt … – eine Art abrupter hedonistischer Entzug.
Das Eroscenter mit seinen Liebesdienerinnen ist für den anspruchsvollen Kunden niemals ein Zentrum des Eros. Das Einzige, was sich in den Freudenhäusern wirklich freut, sind vielleicht die Chlamydien genannten bakteriellen Protozoen.
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