Blog 69
Ein anderer Treffer im WWW ist ,Mythos vaginaler Orgasmus' – ein Interview mit Nicole Engel, geschrieben von Frieda Hintze, zuletzt aktualisiert am 22. Juli 2021 –, und damit schon dem Titel nach ein provokanter Hinweis darauf, dass es den vaginalen Orgasmus nicht gibt und er der mythologischen sexuellen Phantasiewelt angehört. Das klingt relativ realistisch:
„Hand aufs Herz“, so Frieda Hintze erst in Fettdruck, dann in Frage und Antwort mit Frau Engel: „Ist der vaginale Orgasmus wirklich nur ein Mythos? Und warum ist es immer wieder Thema? Seit Jahrhunderten wird über den vaginalen Orgasmus spekuliert, wie die Frau allein durch Penetration zum Höhepunkt kommen kann. Siegmund Freud stigmatisierte sogar den klitoralen Orgasmus zu etwas Unvollständigem. Was für ein Humbug! Wir sprachen mit der Diplom-Psychologin und unserer Expertin für Zwischenmenschliches Nicole Engel über den ,Mythos vaginaler Orgasmus' – und darüber, warum er eigentlich gar keiner ist. Die Vagina, die weibliche Lust und vor allem der vaginale Orgasmus ist immer noch ein Tabuthema – warum?
Wie Margarete Stokowski (2018) in ihrem aktuellen Buch ,Untenrum frei' schreibt: Weil es uns immer noch leichter fällt, über Essen zu reden als über Sex. Wir leben in einer Zeit, in der Sex bis ins Kleinste befreit scheint, in der es unzählige Ratgeber zum Thema gibt, das Internet keine sexuelle Präferenz auslässt und die Medien kaum sexuelle Tabus kennen. Dennoch fällt es Menschen schwer, sich erfüllt mit ihrem intimsten Lebensbereich auseinanderzusetzen. Stokowski zeigt sehr gut auf, wie sich Rollenbilder und Schamgefühle manifestieren, wie sie uns einschränken – und dass wir sie loswerden sollten. Zudem stelle ich in Gesprächen mit zahlreichen Frauen oftmals fest, dass zum einen viel Unwissen zum Thema weibliche Lust vorherrscht und zum anderen ein hoher Leistungsdruck im Hinblick auf das eigene sexuelle Funktionieren besteht. Überzogene Vorstellungen darüber, wie und wie häufig frau Lust und damit Sex haben sollte bzw. wie wichtig und richtig bestimmte Sexualpraktiken seien. Aufgrund beider Aspekte spielt natürlich Scham eine große Rolle, die wiederum eine offene Kommunikation verhindert. Diese Art der offenen Kommunikation haben die wenigsten von uns gelernt. Weder von den Eltern, noch durch Aufklärung in der Schule oder Frauenärzte. Frühere Generationen wurden durch das Jugendmagazin Bravo im Selbststudium aufgeklärt. Heute übernimmt dies das Internet mit Zugang zu allem, was es zum Thema Sex gibt. Dass an dieser Stelle sehr frühzeitig überzogene Vorstellungen und hoher Leistungsdruck entstehen, ist daher kein Wunder. Frauenmagazine, die bestimmte Klischees bedienen, tragen ihr Übriges dazu bei.
Frauenmagazine geben ihren Leserinnen lieber Tipps für den perfekten Blowjob oder besprechen ausgefallene Kamasutrastellungen. Im Fokus steht oft die Lust des Mannes: Was aber ist mit der Lust der Frau?
Ich würde nicht behaupten, dass bei einem Blowjob oder Kamasutra nur die Lust des Mannes im Vordergrund steht. Auch eine Frau kann dabei in ihre Lust kommen. Allein einen erigierten Penis anzusehen, kann sehr erregend sein. Um Frauen zu einem erfüllteren Sexleben zu verhelfen, könnte die Herangehensweise oder Perspektive bei derartigen Artikeln jedoch einfach anders aussehen. Es sollte nicht darum gehen, demütig an einem Schwanz zu lutschen, um dem Mann ein Machtgefühl zu verleihen. Anstelle 10 Schritte für den perfekten Blowjob zu postulieren, könnten Magazine über die 10 Punkte schreiben, die frau währenddessen in ihre Lust bringen oder die aus weiblicher Sicht psychologisch und physiologisch dabei eine Rolle spielen oder eben auch nicht. Und wenn frau dabei keine Lust empfindet, ist dies auch o.k. und sie sollte einfach keinen Blowjob machen. – Wie kann die Frau in ihre Lust kommen?
Der weibliche Genitalbereich ist äußerst spannend. Der Schlüssel für eine gute Sexualität liegt zum einen im Wissen um dessen Funktionsweise und zum anderen darin, das eigene sexuelle System, den individuellen Sexualisierungsprozess und deren Zusammenhänge zu verstehen. Es geht um die Verbindung zwischen eigener Fantasie, Lust, Bewegung und Erregung. Das kann von Frau zu Frau ganz ähnlich, aber auch ganz unterschiedlich sein. Und natürlich geht es um ganz viel Ausprobieren: Jede Frau sollte eine Verbindung zu ihrer Klitoris, Vulva und Vagina haben, indem sie alle drei bewusst entdeckt und damit sensibilisiert. Je sensibilisierter der Genitalbereich, desto höher die Chance auf Lust. Lust ist genauso Übungssache wie andere Dinge im Leben. Es geht demnach darum, möglichst alle Sensoren im Genitalbereich aufzuwecken und dann herauszufinden, was frau persönlich als erregend empfindet. Welche Stellen genau und wie? Mit viel oder wenig Druck? In welchem Rhythmus und über welche Bewegungen? Welche Fantasien beflügeln zusätzlich? Sind eine bestimmte Umgebung, Düfte, Musik, Worte, Dinge zusätzlich erregend? Und was ist unangenehm und holt das Erregungsniveau sofort wieder runter? All die individuellen Antworten auf diese Fragen und das praktische Umsetzen bringen Frauen in ihre Lust. – Zudem seien an dieser Stelle besonders sexuelle Fantasien erwähnt. Diese können sehr förderlich für das Lustempfinden sein. Manche Frauen fürchten jedoch, diese zuzulassen. Doch Fantasien geben nicht unbedingt Auskunft darüber, was eine Frau in der Realität tatsächlich erleben möchte, und in den seltensten Fällen handelt es sich dabei um unterdrückte Wünsche. Deshalb kann ich nur dazu ermuntern, sexuelle Fantasien zuzulassen, vielleicht sogar aufzuschreiben und sich näher damit zu befassen. Eine Frau wird beobachten können, wenn sich die Art, wie sie sich stimuliert, verändert, verändert sich auch die Art der Fantasien. Das ist sehr spannend.“
Lust ist geradeso Übungssache wie andere Dinge im Leben? Möglichst alle Sensoren im Genitalbereich aufzuwecken und herauszufinden, was frau persönlich als erregend empfindet? Welche Stellen genau und wie? Mit viel oder wenig Druck? In welchem Rhythmus und über welche Bewegungen?
Nicht der geringste Unterschied zur männlichen Onanie! Allerdings scheint dazu kaum eine besonderen Übung nötig. Ist es nicht eine Übung, der jeder gern nachkommt? Und bei der schon das Triebmanagement der Natur dafür gesorgt hat, dass sie sich mit der Zeit ganz von selbst einstellt?
Commenti