Blog 73
Last but not least – fragt Henri in meinem Bericht ,Die Liebe in den Zeiten des Internets' –, sind nicht auch alle Orgasmen der Pornomodels beim kommerziellen Verkehr mit ihren Böcken vorgetäuscht, faked orgasms, sämtlich getürkt, vorgespiegelt und vorgegaukelt, um den Betrachter bei der Stange zu halten?
,Mundus vult decipi.' Die Welt will getäuscht werden: Das scheint für die Bettbezüge ebenso wie für die geistigen Bezüge zu gelten. In Wahrheit zeugen die Miminnen, um der Empfindung wahrer Lust willen, im Porno geradeso von ihrer Selbstbefriedigung wie in ihrem Privatleben auch. Höchstens, dass sie durch ihre simultane klitorale Onanie, wie in Henris morbider Phantasie in seinem ,Ohne Mephisto!' über die Liebe in den Zeiten der Cholera Olivia Adam alias Esmeralda, zu echter Ekstase kamen!
Das erklärt en passant auch das chronische Lustdefizit der Protagonistin in Nathalie Weidenfelds ,Orangenprinzessin': Bei den One-night-stands mit ihren Beschälern, wenn sie nur vaginal mit ihr verkehren, kommt Candida zu keiner Spur von Orgasmus. Sie kann gar keinen kriegen, wenn die Frauen generell keinen vaginalen Orgasmus haben, – und muss im Nachhinein klitoral nachbessern: „ich reibe meine Schenkel aneinander, presse sie fest zusammen und zwinge meine Lust heraus, wie ein wilder, ungebändigter Tiger im Morgengrauen seinen Schmerz herausbrüllt … Ich sehe Farben. Rot. Schwarz. Dann ist alles vorbei. Unter zerwühlten Laken liegen meine aufgelösten Träume, verschwitzt zwischen meinen Schenkeln. Tränen, vermischt mit Schweiß.“
Aber ändert sich daran was Wesentliches, wenn sie ihrem Traummann Chris begegnet? Die Logik ist doch: nur wenn Chris sie – taktil, manuell, oral – auch klitoridal befriedigt! Das aber kann sie, wie die Stelle mit ihrer masturbatorisch herausgezwungenen Lust zeigt, offenbar selber schon gut genug. Auch der Traummann wird da immer kaum mehr das fünfte Rad am Wagen sein können. Alle Männer scheinen da immer nur das fünfte Rad am Wagen sein zu können! Wir kommen aus dem Dilemma nicht heraus.
Ist es angesichts solch ernüchternder Überlegungen übertrieben, zu sagen, der junge Harry müsse aus allen Wolken fallen? Der Romantiker Harry, ein geborener Feminist – ,feministisch' allein schon durch seine eingefleischt weiberschmeckerische Neigung und Affinität zur ,femina' und ,femme' –, ohne dass er sich dadurch eigens noch aktivistisch gebärden müsste! Harry, der Hüter und Schutzheilige des weiblichen Orgasmus, haha! Wie in Gottes oder der biologischen Evolution Namen hätte er denn überhaupt wissen oder auch nur im Mindesten ahnen oder darauf kommen können, dass die Frauen in ihren Muschis nicht dieselbe ekstatische Lustempfindlichkeit haben wie er in seinem Schlong?
Was ist das mit den ausschließlich klitoridalen weiblichen Orgasmus für ein schräger Schildbürgerstreich und schizophysiologischer Blödsinn in der ansonsten so streng symmetrisch und paritätisch verfahrenden Natur? Das mutet ihn, ins Sexuelle übertragen, gleichwie Lewin aus ,Anna Karenina', an „wie der bösartige Hohn eines Dämons, den man zwar nicht widerlegen kann, den man aber folglich auf anderem Wege als dem der Widerlegung überwinden muss, um nicht gezwungen zu sein, sich zu erschießen“. Und was folgt daraus für sein zukünftiges Leben?
Hat nicht auch seine geliebte Morelle, die ihm einmal erklärte, dass sie in seinen Armen sich erstmals ,als Frau' fühlte, geschwindelt und gelogen, – da er ausschließlich vaginalen, niemals klitoralen Sex mit ihr hatte?
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