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  • freudholdriesenhar

Ist Nymphomanie gleich Klitoromanie?

Blog 87


Leider ist mir von den Romanen, in denen Frauen selbst auf ehrliche Art ihre onanistischen Gewohnheiten schildern – deren es sicher zuhauf gibt! –, keiner bekannt, oder sie werden von den Verlagen nicht allzu gern gesehen. So bin ich dummerweise auch hier wieder auf einen männlichen Schriftsteller verwiesen.

Einen Präzedenzfall beschreibt der italienische – seinerzeit für den Nobelpreis nominierte – italienische Autor Alberto Moravia in seinem von Doris Dörrie verfilmten Roman ,Ich und er' in Gestalt der bekennenden Onanistin Irene.

Der in sie verliebte Signore Federico, der auf eine Ausnahme von der Regel pocht, beißt auf Granit. Es kommt zu der folgenden Auseinandersetzung:

Irene: Sagen wir also offen, ich masturbiere.

Federico: Du masturbierst?

Irene: Ja, ich masturbiere.

Federico: Hast du schon immer masturbiert?

Irene: Ja, schon immer.

Federico: Und das genügt dir?

Irene: Das genügt mir, weil ich dadurch mir selbst genüge.

Federico: Ist das ein Wortspiel?

Irene: Nein, es ist die Wahrheit.

Federico: Sollte die Wahrheit nicht zufälligerweise darin bestehen, dass du unfähig bist, zu lieben?

Irene: Die Masturbation ist, zumindest für mich, eine Art, zu lieben und geliebt zu werden – eine Art wie jede andere!

Federico: Wen zu lieben und von wem geliebt zu werden?

Irene: Mich selbst zu lieben und von mir selbst geliebt zu werden.


So hat Federico aufs falsche Pferd gesetzt. Wie sähe sein Liebesleben wohl aus, falls er sich von Irenes Narzissmus nicht abschrecken und ins Bockshorn jagen lassen, und sie ihrerseits ihn nichtsdestotrotz erhören und sich von ihm heiraten lassen würde?

Da sie wie die meisten Frauen gern Kinder und ein glückliches Familienleben hätte, hat sie vielleicht gar nichts dagegen, sich von ihm schwängern zu lassen. Federico könnte sie nach Lust und Laune begatten und sich fröhlich seines Samens in ihr entäußern.

Zumindest so lange, bis sie schwanger ist. Dann aber dürfte er, da sie ja keine eigentliche Männerliebe hat und, was ihr – durchaus vorhandenes – libidinöses Verlangen betrifft, sie als chronische Klitoromanin sich gewohnheitsmäßig selbst genügt, auf kein besonderes Entgegenkommen ihrerseits mehr hoffen. Sie mag sogar eine leidenschaftliche und liebende Mutter sein, – ohne dabei aber doch eine besondere Gattenliebe an den Tag legen zu müssen. Irene hat vielleicht ein Übermaß an männlichen Hormonen – was aber wäre hier schon das Kriterium für hormonelle Normalität? Sie selber trägt vielleicht einen Mann in sich und hat daher kein Bedürfnis nach noch einem zweiten außerhalb ihrer selbst. Dann wäre ,Frigidität' nicht gleichbedeutend mit mangelnder Sinnlichkeit, sondern bloß mit fehlender Männerliebe – ein ominöser, aber signifikanter Unterschied.

Sie hat sich möglicherweise mehr Zärtlichkeit von Federicos Liebe erwartet; aber da sie selbst keine Männerliebe und von sich aus fürs Kuscheln nichts übrig hat, hält es in verständlicher Hemmung auch ihn davon ab. So mag sie nachgerade gefühlskalt und frigide scheinen – und zugleich doch eine leidenschaftliche Hedonikerin sein. Sie schließt von sich auf andere, dass wenn sie sexuell bestmöglich sich selbst genügt und die größte Lust aus ihrer Selbstbespaßung zieht, dies auch für ihn gelten müsse. Sagen die Männer – Beckett – nicht selber, zwischen Daumen und Zeigefinger seien sie eh besser dran?

Da sie davon ausgeht, dass auch er sich in der Regel lieber selbst befriedigt, und sie nicht wissen kann, wann er gerade den letzten Orgasmus hatte, bietet sie sich, um die Peinlichkeit seiner Impotenz zu vermeiden, ihm niemals von sich aus an, sondern wartet gelassen seine Annäherungen ab. Ihre Ehe ist die Symbiose zweier Onanisten, und sollte er's noch nicht in dem Maß gewesen sein, wird er's durch sie werden. „Wir wissen beide“, wird sie ihm stecken, „dass die Lust bei der Onanie größer ist als diejenige beim Koitus. So lass uns erst gar keine Spielchen treiben, sondern gleich jeden für sich onanieren!“

Ist das der Sinn von Kleanthes' Wort in Feuchtwangers ,Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis': man möge sich hüten, in den Schoß einer Hedonikerin zu fallen?

Signore Federico darf nicht einmal dagegen aufbegehren, da sie es ihm ja bereits vor der Ehe ehrlich verklickert hat. Sollte er dagegen auch weiterhin Verlangen nach ihrem ipsistischen Fleisch haben, in ihrem Schoß zu wühlen und ihr sein Sperma einzuflößen – andernfalls er sie ja auch kaum hätte heiraten wollen –, wird sie sich ihm aus Loyalität nicht verweigern. Sie wird sich ihm aber nicht – zumal sie mit seiner eigenen Selbstbefriedigung rechnet – von sich aus anbieten. Sie wird sein Geturtel gutmütig mitspielen, ohne ihm ein besonderes Vergnügen abgewinnen zu können, dieweil sie ja keinen koitalen – vaginalen – Orgasmus hat und viel zu ehrlich ist, ihm oder sich selber einen vorzumachen.

Dabei ergibt sich das seltsame Phänomen, dass Irene beim Sex jedes Mal ins Lachen kommt, was Federicos Romantizismus ziemlich den Wind aus den Segeln nimmt. Einmal gefragt, was sie so lustig daran findet, erklärt sie – eine streitbare Verfechterin des Darwinschen Evolutionismus – ihre Erheiterung über die kuriose Art und Weise, wie die Evolution für die Fortpflanzung und Erhaltung der Art gesorgt hat, – indem sie dort, wo die Frau eine anatomische Einstülpung hat, beim Mann für eine phallische Ausstülpung sorgte, die sich dann so passend in die weibliche Einstülpung fügt, dass der der Mann sich nur daran abzureiben braucht.

Soviel distanzierte Rationalität könnte ihm auf Dauer den Spaß verleiden. Zwar wird er, der ihre ipsistische Vorliebe kennt, seinerseits sein Möglichstes tun, ihr durch klitoridale Stimulation beim Cunnilingus, Pussylicking und -eating zu einem Orgasmus zu verhelfen, – wird aber bald erkennen, dass er mit ihrer einsamen Meisterschaft nicht mithalten kann. Er wird sich vorkommen wie der Hase beim Wettlauf mit dem Igel: wo, wenn er als ambitionierter Liebhaber sein Ziel erreichen will, der Igel Masturbation längst schon angelangt ist.

Er wird sich als Don Quijote ihrer Lust vorkommen, wie wenn er an ihren inneren Labien wie gegen Windmühlenflügel kämpfte. Federico hatte vielleicht die Illusion, unterm Einfluss seiner virilen Potenz würde Irene sich mit der Zeit bekehren lassen und die Männerliebe schon noch lernen. Wie wird er reagieren, wenn er seinen Irrtum einsieht? Wenn er sie wirklich liebt, wird er sich irgendwie arrangieren; wenn nicht, lässt er sich vielleicht, wie so viele andere, wieder scheiden.

Vergessen wir aber wie gehabt nicht, ,Ich und er' ist der Roman eines männlichen Autors, der sich hier den weiblichen Narzissmus vorstellt. Die Frauen selber müssen nicht immer so ehrlich sein. „Sex und Kinder sind die beiden Themen, bei denen die Frauen am meisten lügen“, sagt Nathalie Weidenfeld.

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