Blog 71
In meinem Roman ,Die Freuden und Leiden des jungen Harry' (Kindle-Taschenbuch) geht der jugendliche Titelheld wie selbstverständlich davon aus, dass Mann und Frau beim Sex, und zwar ziemlich genau im selben Augenblick, auch ein und denselben ekstatischen Höhepunkt haben – dieselbe phantastische Klimax der Lust wie er selber bei der Selbstbefriedigung auf seinem einsamen Söller.
Wie denn auch nicht? Etwas anderes kann er sich gar nicht vorstellen. Nie käme er auf den Gedanken, dass es anders sein könnte. Woher auch? Müssen nicht schon der generellen Symmetrie und Parität der Natur wegen die Frauen beim Koitus die gleiche Ekstase haben wie die Männer?
Dieselbe Empfindsamkeit, die er am geschwellten Häutchen an der Unterseite seines Penis gleich unterm Bändchen der fischköpfigen Eichel spürt – so dass schon bei leichtester Berührung ein süßes Jucken bemerkbar wird und der Muskel sich zu versteifen beginnt, und wo seine drei Finger meist bis zum Ende zu liegen kommen –, – dieselbe Empfindsamkeit muss natürlich auch Oenone auf Carraccis Stich an der zarthäutigen Innengewandung ihres Geschlechts mit dem hauchzarten Muschifleisch haben, – so dass sie durch das heftige Gereibe und Gestoße von Paris' trojanischem Penis der ganzen Länge ihres schlauchförmigen Organs nach – oder doch jedenfalls so weit der trojanische Hengst reicht – zu fulminanter Lust und ekstatischer Klimax getrieben wird.
Auch in den populären Magazinen und Medien der Zeit wird, wo immer man auf das Thema stößt, es stets und ausnahmslos so dargestellt, dass die Lust der Partner beim Liebesakt auf absoluter Gegenseitigkeit beruht. Und noch dazu geht aus allem, was man darüber liest und hört, hervor, dass Mann und Frau den Höhepunkt möglichst gleichzeitig in ein und demselben Moment erreichen und in ekstatischer Klimax ineinander vergehen sollen... So wird durch die Reibung des Gliedes in der Scheide beim Koitus mit schöner Regelmäßigkeit auch ein vaginaler Orgasmus hervorgebracht werden … –
Erst viel später will es ihm auf einmal wie Schuppen von den Augen fallen: Keine, aber auch keine einzige der Frauen und Mädchen des erotischen Pandämoniums seiner Jugend kann überhaupt dergleichen empfunden haben, wenn der weibliche Orgasmus im Wesentlichen nur durch die Stimulation am Kitzler bewirkt werden können soll!
Was bedeutet das im Nachhinein und retrospektiv? Das Mädchen Vanessa wurde unter seines Freundes Hassan beschnittenem Pimmel keineswegs so aufgegeilt, wie sie es ihm vermutlich vorgemacht hat.
Seine eigenen zwei Kusinen Molly und Therese erfuhren bei der Empfängnis ihrer Kinder, in ihrem laut ,Lear' „verdumpftem, trägem, schalem Bett mit einem ganzen Heer von Tröpfen halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen“, keineswegs jene wollüstige Lust, die er ihnen wohlmeinender Weise naiv unterstellte; – das geschah ihnen recht, warum sind sie nicht seiner eigenen leidenschaftlichen Werbung gefolgt!
Was aber mit seiner geliebten Kommilitonin Meike, als er bereits Student war? Hielt auch ihr französischer Fiancé nicht, was der gallische Hahn versprach? Ist das die Erklärung, warum sie allein so unangefochten einsam in Göttingen weilte, während er Gott weiß wo seiner Tagesordnung nachging?
Bestimmt hatte auch Isabel in ihres Madrider Don Juans Armen bloß so getan, als würde sie orgasmisch abgehen, und, wer weiß, so auch später in den legitimen Armen Enriques!
So behauptet Nathalie Weidenfeld im Interview also nicht umsonst, Sex und Kinder seien „die beiden Themen, bei denen die Frauen am meisten lügen“: Beim Sex schwindeln sie ihren Göttergatten Wollust vor, während sie in Wahrheit es sich im Nachhinein à la Orangenprinzessin ipsistisch aus dem frustrierten Schoß pressen müssen: „Ich sehe Farben. Rot. Schwarz. Dann ist alles vorbei. Unter zerwühlten Laken liegen meine aufgelösten Träume, verschwitzt zwischen meinen Schenkeln. Tränen, vermischt mit Schweiß.“ (,Ipsistisch', zur Erinnerung – von lat. ipse, ,selbst' –, ist aller sex for one. Ipsismus ist gleich Selbstbefriedigung, Masturbation, Onanie, oder der Neigung dazu. So ging der Berliner Philosoph Hartwig Schmidt sogar so weit, zu sagen: Die moderne Identität ist ipsistisch.)
Und seine gymnasiale Banknachbarin Natalja, die schon zum Abitur schwanger war? Frauen können geschwängert werden, auch ohne dabei irgendwas zu empfinden. „Man kann sogar eine Tote beschlafen“, schreibt drastisch die Philosophin Simone de Beauvoir. Männer kommen sogar mit einer Toten zum Orgasmus, Frauen nicht mal mit den Lebenden!
Kaum anders wohl stand es um seine abtrünnige Flamme Inga, als sie statt seiner mit seinem Adlatus Alfie in die Kiste ging, auch wenn es nicht lange vorhielt; – auch ihr geschah ganz recht. Warum musste sie ihn so fühllos ,psychischer Zustände' zeihen, anstatt ihm ihrerseits physische zu bereiten!
Schade aber wäre es wirklich um Béatrice, wenn es an Federicos Haken allein bei dem ,schönen Gefühl' blieb, zu dem sie sich gelegentlich verstand.
Aber hoppla! wieso dann eigentlich kam die massive Désirée, Unzucht im Sinn, nächtens in sein Zimmer? Offenbar nicht, rückschauend gesehen, um ihres sexuellen Vergnügens willen. Warum aber dann? Um ihn für sein armes Sonett zu belohnen? Bloß um ihn in die wohlfeile Liste ihrer Eroberungen einzureihen? Um sich für ihre erotische Frustration schadlos zu halten und ihr weibliches Selbstgefühl aufzupeppen? Kein Wunder da, dass er sich als impotent erwies.
Und auch die alttestamentarischen und mythologischen Weiber können füglich kaum so dionysisch empfunden haben, wie er es ihnen in seinen leichtgläubigen Masturbationsphantasien unterstellte. „Oft lacht er auf“, schreibt die Mouche, „im Hinblick auf irgendeine zotenhafte Geschichte oder schlüpfrige Stelle aus dem Alten Testament, die er sich selbst zu erzählen scheint.“
Am ehesten sieht man's bei Messalina. Das also ist der eigentliche Grund, warum die Römer sie ,invicta', die Unbesiegte, nannten: „weil keiner ihrer Liebhaber ihr wirklich zur ultimativen Lust verhelfen konnte. Nach Juvenal: Adhuc ardens rigidae tentigine vulvae: Et lassata viris, necdum satiata, recessit“: Glühend vor Geilheit der erregten Vulva, entbrannte sie, erschöpft von den Männern, doch ungesättigt, aufs neue!
Das gilt aber nicht nur für Messalina. Sie am ehesten gleicht Nathalies ,Orangenprinzessin', die nach ihren zwecklosen One-Night-Stands sich „wieder aufs Bett fallen lässt, ihre Schenkel aneinander reibt, sie fest zusammenpresst und ihre Lust herauszwingt, wie ein wilder, ungebändigter Tiger im Morgengrauen seinen Schmerz herausbrüllt … ,Unter zerwühlten Laken liegen meine aufgelösten Träume, verschwitzt zwischen meinen Schenkeln.'“
Dazu braucht man aber gar keine geborene Nymphomanin zu sein: Dass sie durch den Mann invictae – unbefriedigt – bleiben, gilt bereits für die normalsten Frauen von der Welt! Gut möglich, dass durch den in der Vagina rumorenden Penis sich der Zug an den inneren Labien teils auf das zum Kitzler laufende Bändchen, Frenula clitoridis, überträgt – was die Klitoriseichel dem Penis nähert und durch die Friktion die sexuelle Erregung verstärkt –, zugegeben; indes genügt diese ordinäre Friktion offenbar doch bei weitem nicht, die Klit voll zum Höhepunkt zu kitzeln. Reicht die vaginale Zerrung an den inneren Labien dazu aber nicht, dann muss die klitorale Glans immer direkt und unmittelbar bis zum Orgasmus aufgereizt werden. Das geht optimal aber nur durch die Frau selber!
Waren also auch die weiblichen Ikonen und Liebchen seiner Jugend letztendlich immer wie Candida zu ultimativer Onanie gezwungen?
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