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Gibt es einen Sexualrausch?

freudholdriesenhar

Blog 123


Die physiologische Erklärung der Eskalation der Lust liegt auf der Hand: Die visuellen Eindrücke und Reize von der Leinwand wirken auf die Wahrnehmung und Phantasie – und damit auf Geist und Seele – in allen ihren Dimensionen bis in die hintersten Behausungen des Blutes hinein.

Wie gewöhnlich müssen wir uns, wie alle Dinge, so auch die sexuelle Libido rein naturalistisch-materialistisch erklären: Mit den von der Leinwand auf den Betrachter einströmenden, einprasselnden erotischen Motiven und Szenen verbindet sein Gehirn Millionen und Milliarden derjenigen Zellen und Moleküle, durch die sie mental kodiert werden; und jede dieser Abermillionen Zellen und Moleküle ist potenziell mit den neuralen Zentren libidinöser Lust assoziiert oder gewichtet, wenn anders sie nicht bereits in sich ein Potential dieser Lust enthält. Stimuliert der Konsument sich nun angesichts der filmischen Szenen, dann sind es ebenso viele Zellen und Herde der Lust, die in das Feld der Erregung mit integriert, mit unter Spannung gesetzt und schließlich zum simultanen Feuern gebracht werden.

Je mehr dieser nicht abreißenden Bilder und Motive es aber sind, die auf ihn eindringen – 16 pro Sekunde, 57.600 pro Stunde –, desto mehr Zellen und Moleküle werden daran beteiligt; und je mehr das gesamte Ich am Ende gleichsam davon überschwemmt, von der Lust geflutet und unter Drogen gesetzt wird, desto größer sind Umfang und Spannung des hedonistischen elektrophysiologischen Feldes, – und desto stärker dessen explosive finale orgasmische Entladung. Das ist beim normalen realen Sex natürlich nicht der Fall, wo durch den primär körperlichen Akt – Büchners Danton: ,Geh, wir haben grobe Sinne … Wir sind Dickhäuter... es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab – der Geist weitgehend ausgespart bleibt: und auch nicht bei der einsamen Selbstbefriedigung ist es so, wo die Vorstellungskraft der Person mitnichten die Mittel und Wege hat, die visuellen Wirkungen des Films – 16 Bilder pro Sekunde, 57.600 pro Stunde – gleichwertig zu kompensieren. So kommt es auch dabei bei weitem nicht zu der hormonell-toxischen Sättigung, die die optimale Klimax hervorbringt.

Mit einem Wort: Der Sexualrausch erfordert den gleichen zeitlichen Aufwand und biochemisch-molekularen Nachschub wie jeder andere Rausch auch.

Daher, dass auch mein Protagonist Harry ihn weder bei seinen sporadischen Bordellbesuchen noch in seinen einsamen Ekstasen je in diesem Ausmaß erfahren hat! Daher, dass er, durch chronische Onanie konditioniert, auch beim Sex mit seinen Geliebten dieser Enttäuschung nicht wird entgehen können. Daher, dass heute die vom Internetsex verwöhnte Männerwelt, und vielleicht nicht nur diese, mit dem Sex in der Ehe womöglich mehr Probleme hat denn jemals zuvor in der Geschichte!

Kurz, der Onlinesex erweitert die Möglichkeiten und den Umfang, um nicht zu sagen, die ,Welt' der sexuellen Selbstbefriedigung auf eine ungeahnte, nie dagewesene, vordem nicht vorstellbare Weise!

Erst dadurch, dass der Einzelne seine erotische Phantasie visuell voll ausreizt und ein Maximum von Sinneszellen zum Feuern bringt, bekommt er die Gelegenheit und wird in den Stand versetzt, erstmals auch sein volles libidinöses Potenzial zu erfahren – den Zustand äußerster sexueller Ekstase, zu dem er individuell fähig ist. Es ist die schiere Fülle der erotischen Szenen und Reize von der Leinwand, die via visuelle Wahrnehmung auf die Sinne einströmen – genauer, auf das zerebrale elektrochemische Feld, in dem die sexuelle Erregung besteht.

Längst ist Harry davon überzeugt, die physiologischen Zellen der Lust sind mit den – mentalen – Wirkungen erotischer Phantasie assoziiert, von denen sie psychologisch ihre ,Bedeutung' erhalten. Jede schlüpfrige Szene und Spielart auf dem Bildschirm trägt ihren eigenen libidinösen Gehalt in sich, und jedes dieser Potenziale wirkt auf ein eigenes spezifisches Areal des neuronalen libidinösen Feldes. So werden auf die zeitliche Länge – denn die Champs Elysées der Lust etablieren sich nicht von einem Augenblick zum andern –, sofern genügend viele diverse Eindrücke, und lange genug, auf sie wirken, auch maximal viele Zellen des Feldes erfasst – und schließlich, ist deren Geflecht myriadenfach übers ganze Nervengewebe verstreut, das gesamte Zentralnervensystem.

Sämtliches Innervierbare wird de facto auch innerviert, sämtliches Inflammable auch entflammt, alles Reizempfindliche gereizt und ausgereizt. Das individuelle persönliche Potenzial elysäischer Lust wird zur Gänze erfasst, involviert und gesättigt. Das Feld ist im physikochemischen Sinn saturiert, und das Subjekt befindet sich in einem Sinnesrausch, dem Sexualrausch: Wir vergessen alles um uns herum, so Elizabeth, als hätten wir Sexdrogen genommen!

Nichts anderes aber ist es auch: Sexdrogen sind die endogenen Drogen und Opiate, die beim Sex freigesetzt werden. Frank Schätzing in ,Limit': „,Wir sind ein Chemiebaukasten'. Marianne fühlt ihren Erregungsspiegel steigen. Das hier ist bedeutend weniger langweilig als alles, worauf sie noch zu hoffen gewagt hat. ,Endorphin, Serotonin, Dopamin, Noradrenalin. Mal geschüttelt, mal gerührt.'“ Vergleichbar der Wirkung des Alkohols, wo auch nicht ein Glas genügt, uns trunken zu machen, ist auch hier die hormonelle Überflutung nötig. Es ist die Modulation der Lust und jene – qua Hirnchemie wissenschaftlich gesehen gar nicht so ,geheimnisvolle' – Wandlung der Sinne, von der es in ,Lolita' heißt: eine Seinsebene, wo nichts galt außer dem Lustgebräu, das in meinem Körper gärte. Was als genussreiche Dehnung meiner innersten Wurzeln begonnen hatte, wurde zum glühenden Prickeln, das sich jetzt in einem Zustand absoluter Sicherheit, Zuversicht, Zuverlässigkeit befand, der nirgends sonst im bewussten Leben zu finden ist. Nun, da die tiefe, heiße Süße gesichert und auf gutem Wege zur äußersten Verzückung war, wusste ich, dass ich mich zurückhalten durfte, um die Glut zu verlängern.“

Dieser Rauschzustand ist beim realen intersexuellen Verkehr, was immer uns die erotische Literatur davon vorphantasiert, praktisch nicht möglich und kommt überhaupt nur in der opulenten Selbstbefriedigung vor.

Harry erfährt ihn, sooft er sich im Kino solcherart visuell unter Drogen setzt, hält ihn nach Belieben lange aufrecht, und verlängert die Glut bis zum ultimativen orgasmisch entladenden Erguss.

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