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Gibt es eine Schizophysiologie weiblicher Lust?

Blog 22


Nicht zu übersehen, wie vage Simone de Beauvoir persönlich bei der Frage nach dem Orgasmus der Frau beim Koitus bleibt! ,Ihr Körper zielt nicht auf einen deutlichen Abschluss des Liebesaktes hin'? Wie steht es wohl um sie persönlich? Als Philosophin sollte sie sich nicht scheuen, hier Klartext reden. Hat sie selber vaginale Orgasmen? Und wie steht es um ihre klitoridalen? Auch nicht besser?

Wir seien nicht befugt, solch indezente Fragen zu stellen, meint ihr? Es gibt aber, sagt Oscar Wilde, keine indiskreten Fragen, nur Antworten.

Warum also nicht, Simone ist ein Proband wie jeder andere, und seit wann gäbe es in der Wissenschaft Tabus? Oder Datenschutz?

Ihre Angst vor ungewollter Schwangerschaft war so groß – bemerkt sie einmal –, dass sie praktisch frigide war. Das bezieht sich explizit aber nur auf den – von ihr so genannten und geschriebenen – Coïtus, denn davon, was sie zwischen ihren Laken trieb, wenn sie mit sich allein war, verlautet nichts. Dann scheint sie aber auch keine sehr verlässliche Bezugsperson und Referenz für die vorliegende Diskussion!

Das alles ist hochproblematisch und gibt zu denken. Wird nämlich laut Wikipedia der weibliche Orgasmus gewöhnlich bei 70 bis 80 % der Frauen ausschließlich durch direkte Stimulation des Kitzlers – und insbesondere der Kitzlereichel, der liebevoll so genannten ,Perle' – erreicht, wäre es dann, damit der Geschlechtsakt auch bei der Frau zu orgasmischer Befriedigung führt, nicht von Natur aus besser gewesen, die Klitoris mitsamt ihrer glans wäre von der Natur gleich in die Vagina selbst hinein platziert worden – statt sie verwaist außen vor und so eckenstehen zu lassen wie den Hämmling vor dem Harem? Welchen Schabernack und Hokuspokus hat die biologische Evolution sich da geleistet?

Es mag ja sein, dass die zwiebelförmigen klitoridalen Schwellkörper, die teils der Vorderwand der Scheide anliegen, gelegentlich auch beim Koitus gereizt werden, zugegeben, – sicher aber ist es offenbar nicht! Möglich auch, dass bei der Penetration der Pussy durch den Penis der Zug an den inneren Labien sich so auf das zum Kitzler verlaufende Bändchen, die Frenula clitoridis, überträgt, dass „die Kitzlereichel sich dem penetrierenden Penis nähert und durch Friktionsbewegung die gemeinsame sexuelle Erregung bei der Kopulation verstärkt“, zugegeben. Die Frage ist aber doch, ob die dadurch bewirkte Reibung und Stimulation tatsächlich auch bereits ausreicht, die Frau vollends zum Orgasmus zu bringen!?

Da scheinen Zweifel am Platz, vermutlich tut sie das nämlich nicht. Der vaginale Zug an den inneren Labien scheint bei weitem nicht stark genug dafür, – mit der Folge, dass die Perle schon direkt und unmittelbar stimuliert werden muss, wenn es zum Orgasmus kommen soll. Das aber kann zur Genüge, ohne Beteiligung des Mannes, der beim Koitus ja nicht direkt davon tangiert ist, eigentlich nur, durch klitoridale Masturbation, die Frau selber! Was anderes als dies auch sollte es sein, was Simone mit deren ,erotischer Autonomie' gemeint hat?

Der Mann findet die sexuelle Befriedigung beim Liebesakt problemlos durch die Reibung des Penis vor allem an dessen Unterseite in der weiblichen Scheide, so dass es keinerlei zusätzlicher Anstalten mehr bedarf. Bei der Frau dagegen ist es, durch die ausgebürgerte Lage der Klitoriseichel, mit der Lust ein ziemlich zweischneidiges Spiel: Entweder es wird doppelt gemoppelt und ihre Sexuallust wird durch die koital-vaginale und extern-klitoridale Stimulation verzweifacht; oder aber ihre Lust wird durch die separate Lage der Glans clitoridis vom Koitus überhaupt abgekoppelt. Verdoppelt oder entkoppelt – jedenfalls eine ziemlich ambivalente Gespaltenheit des weiblichen Sexus: die Vagina dient zur geschlechtlichen Befruchtung, die Klit zur geschlechtlichen Befriedigung.

Wird die Frau gegebenenfalls – vaginal – geschwängert, dann braucht sie, solange die Klitoris außen vor bleibt, nicht unbedingt auch befriedigt zu werden; oder aber sie wird – klitoridal – befriedigt, dann braucht sie nicht unbedingt auch geschwängert zu werden. Die Natur spielt ein doppelsinniges Spiel: Die Fortpflanzungsfunktion ist von der sexuellen Lust getrennt, gleichwie abgezogen, abstrahiert.

Was für ein evolutionärer Schildbürgerstreich? Es hat förmlich den Anschein und sieht danach aus, als sollte das sexuelle Genüge der Frau von Natur aus im Wesentlichen nicht sowohl durch den Akt der Geschlechter, als vielmehr ohne Miteinbeziehung und Beteiligung eines Partners überhaupt allein durch ihre Selbstbefriedigung bewirkt werden!

Und das seit den Jahrmillionen menschlicher Evolution im Tier-Mensch-Übergangsfeld, nachdem der Orgasmus sich, wie Anke Schaefer im Netz unter ,Deutschlandfunk Kultur' vom 4. Februar 2021 zu wissen glaubt, sich „vor etwa 70 Millionen Jahren“ entwickelt hat!

Wie hat eine derartige Flickschusterei und libidinöse Sinnes-Schizophysiologie in der – doch sonst so widerspruchsfrei verlaufenden – biologischen Evolution überhaupt stattfinden können?

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