Blog 72
Etwas anderes ist es wohl – grübelt Harry – mit den phantastischen Göttergestalten in der griechisch-römischen Mythologie.
Fürwahr, höchstens ein Gott hat die olympische Macht, ein sterblich oder seinesgleichen Weib in seiner Umarmung orgasmieren zu lassen; – das aber nicht vermöge seines göttlich potenten Pimmels, der anatomisch ja so unzulänglich an die weibliche Klit heranreicht wie irgendein sterblicher Schwengel, – sondern höchstens kraft einer transzendenten immateriellen Wirkung, welche seine Buhle zum Schmelzen bringt wie in Kleists ,Amphitryon' in Jupiters Armen Alkmene. Das ist aber reine Metaphysik und Spekulation, denn eine solche göttliche Macht gibt es überhaupt nicht, also ist auch all das vielleicht bloß metaphysisches Geflunker!
Das gilt für Jupiter und Juno genauso wie für Mars und Venus, für Bacchus und Ariadne ebenso wie für Herkules und Dejanira auf Agostino Carraccis klassischen Stichen; und bestimmt wurde auch jede einzelne der 50 Töchter des Eurystheus unter Herkules' herkulischen Schenkeln geschwängert und trächtig, ohne echt was dabei empfunden zu haben. All diese Kebsweiber blieben, es sei denn, sie haben sich's gleichzeitig selber besorgt, klitoral in der Etappe und mussten, nachdem der Halbgott wieder über alle Berge war, wie Nathalies ,Orangenprinzessin' händisch nachlegen. Oder. mit dem Analysten Eduard Hitschmann vornehmer ausgedrückt, mussten den selbst bei den Olympiern noch „unbefriedigenden Koitus durch Selbstbefriedigung zur Vollendung bringen“.
Was aber hat er, Henri, in seiner naiven Unbeweibtheit noch alles über Melpomene aus der Pariser Passage des Panoramas phantasiert?
Oder von den multiplen Orgasmen, die Judith, bevor sie ihn um einen Kopf kürzer machte, an Holofernes assyrischem Phallus erfuhr!
Und Bathseba, die namentliche ,Tochter der Fülle'? Vielleicht dass ihr König Davids geschickt psalmodierende Zunge einen ehebrecherisch-ruchlosen Abgang abnötigte, der aber, während ihr Mann Urias auf dem Felde verdarb, mit den einsamen Ekstasen der grünen Witwe sicherlich nicht hat mithalten können!
Und auch die an der Straße zu Timna hurende Thamar war ja bloß scharf auf Judas schwiegerväterliches Sperma und hat den alten Tölpel sich ansonsten recht lustlos über sich ergehen lassen.
Desgleichen waren Lots Töchter, die den Alten nur inzestuös absamen wollten, über ihren Schelmenstreich hinaus kaum auf beiläufig vaginale Lust aus.
Ja, vermutlich hat noch nicht einmal Eva im Paradies an Adams primordialem Pimmel etwas gespürt, und der Apfel, den sie ihm kredenzte, hatte beileibe nicht die Süße, die die demagogischen Vorspiegelungen der Schlange versprachen!
Oder war vielleicht schon die sogenannte ,Erbsünde' gleichbedeutend mit dem klitoridalen Irrweg und Fauxpas der Evolution – und die Vertreibung aus dem Paradies eine Folge beidseitiger Selbstbefriedigung im Garten Eden?
Desgleichen sind später in den modernen Medien die Trugbilder des weiblichen Orgasmus eine willfährige Dienstmagd der männlichen Eitelkeit der Regisseure: die filmische Klimax der jungen Eva (Hedy Lamarr) in ,Ekstase' – fingiert!
Die paroxysmischen Höhepunkte Nadines (Geneviève Bujold) und Mariannes (Ingrid Thulin) in ,Der Krieg ist vorbei' – erflunkert!
Der Orgasmus Laura Baxters (Julie Christie) in ,Wenn die Gondeln Trauer tragen' – simuliert!
Etc. etc. Alles Orgasmische nur erstunken und erlogen. Die ,Orgasmus-Lüge' bezieht sich offenbar nicht nur auf die individuellen Partnern beim Koitus – sie herrscht in den erotischen Medien schlechthin vor. Sie ist offenbar geradeso universell wie die Lebenslüge der Religionen! „Wir wissen aber auch“, schreibt Heine, „dass ein Glück, das wir der Lüge verdanken, kein wahres Glück ist“; und man also auch einer Lust, die man vortäuschen muss, nicht wahrhaft froh werden kann.
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