Blog 97
Deep Throat mit Linda Lovelace gilt oder galt eine Zeitlang als der profitabelste Film aller Zeiten. Bei Produktionskosten von 25.000 Dollar spielte er einen Gewinn von schätzungsweise 600 Millionen ein; das ist ein Verhältnis von 1 zu 24.000 und beweist das universelle Interesse an seinem Gegenstand. Für die Hauptrolle bekam Linda Boreman ein spärliches Honorar von 1250 US-Dollar, und die riss sich noch dazu ihr Ehemann Chuck Traynor unter den Nagel.
Aufgrund neu veröffentlichter Unterlagen berichtet die Zeitung derFreitag, dass das FBI 1972 hysterisch versuchte, das Erscheinen des Films zu verhindern: „Der große Erfolg von Deep Throat, der umstrittenen Quellen zufolge bis zu 600 Millionen Dollar eingespielt haben soll, wird von vielen als Meilenstein der kulturellen und sexuellen Revolution betrachtet. Andere kritisieren ihn dagegen als billige und widerwärtige Einübung von Praktiken der Unterwerfung. Wäre es nach dem FBI gegangen, würden wir allerdings gar nicht über diesen Film urteilen können. FBI-Agenten von Honolulu bis Miami beschlagnahmten Kopien des Films, ließen Negative analysieren und befragten Schauspieler, Produzenten und sogar Kurierfahrer, die die Bänder gerade an die Kinos ausliefern sollten. Vergebens.
Die Maßnahmen des FBI kann man den nun veröffentlichten 498 Seiten der FBI-Akte des im Oktober verstorbenen Regisseurs des Films, Gerard Damiano, entnehmen. ,Heute können wir uns nicht mehr vorstellen, dass staatliche Behörden, egal ob auf lokaler, staatlicher oder föderaler Ebene sich mit so etwas befassen', meint Mark Weinert, Professor für Verfassungsrecht und Rechtsgeschichte an der Rutgers-Newark School of Law gegenüber der Associated Press, die sich für die Veröffentlichung der Akten eingesetzt hatte. ,Die Geschichte von Deep Throat ist die Geschichte des letzten Aufbegehrens gegen die kulturelle und sexuelle Revolution und der Vorschein des Eintritts des Porno in den Mainstream', sagt Weinert.“
Das allein schon dürfte, während die Menschen nach Aufklärung streben, die Naivität der Staaten – und ihnen höriger geheimer Dienste – seit der Staatsgründungen beweisen, – eine Naivität, wie sie heute noch gegenüber der Religion praktiziert wird. Ist der Mainstream in den Medien definitionsgemäß aber die ,Hauptströmung' des intellektuellen oder kulturellen Geschmacks einer Gesellschaft oder Epoche – also der Geschmack der Mehrheit, im Gegensatz zu Subkulturen oder dem ästhetischen Underground –, so ist er gleichwie die Populärkultur und das Konzept kultureller Vorherrschaft im Bereich der Medien oft verknüpft mit dem Begriff der Leitmedien und dem Anspruch auf Qualität.
Dass der Porno und Internetsex heute zum Mainstream gehört, besagt daher nichts anderes, als dass er der Mehrheit der Bevölkerung des globalen Westens willkommen ist und von ihr akzeptiert und konsumiert wird. Und ein gewisses Verdienst daran gebühre ,Deep Throat' als einem der einflussreichsten Filme der vergangenen Jahrzehnte, weil er den Porno aus den ,Schmuddelecken' der Bahnhofkinos holte und das breite Publikum sich mit dieser Filmform zu befassen begann.
Zusammen mit Filmen wie ,Behind the Green Door' startet ,Deep Throat' den sogenannten Porno-Chic-Boom der 70er-Jahre. „Der Ausdruck Porno Chic (teilweise auch Porn Chic oder Golden Age of Porn)“, so Wiki, „wurde erstmals in den frühen 1970er Jahren gebraucht, um die Welle pornografischer Filme zu beschreiben, die zu diesem Zeitpunkt erstmals in US-amerikanischen Mainstream-Kinos vorgeführt wurden und zu denen unter anderem Produktionen wie Behind the Green Door, Deep Throat, The Devil in Miss Jones und Score gehörten. Heute wird der Begriff auch verwendet, um die zunehmende Verbreitung pornografischer Stilelemente in unterschiedlichsten medialen Mainstream-Kontexten zu beschreiben.“ Der Film belegt Platz 41 auf der Liste der 101 Greatest Adult Tapes of All Time von AVN.
Leider kenne ich die 100 anderen Filme nicht, so dass ich zunächst nichts weiter darüber berichten kann. Inzwischen aber hat die ,Welle' wie ein Tsunami den ganzen Erdkreis überrollt, so dass daran auch kein besonderes Interesse mehr bestehen dürfte.
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