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Was hat es dann aber mit den klassischen sogenannten ,ehelichen Pflichten' auf sich?
Definiert nicht schon der berühmte Philosoph Immanuel Kant die Ehe bekanntlich unter dem Aspekt der Fleischeslust als „Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen, wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften“?
Darin klingt das wechselseitig ganz so, als beruhe der Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften durchaus auf Gegenseitigkeit. Schließt der ,Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften' doch offenbar auch deren Verwendung zur geschlechtlichen Befriedigung beider Partner ein, so dass die Gegenseitigkeit auch dafür gelten sollte. So, wie wenn auch die Frauen zu ihrer libidinösen Befriedigung gleichermaßen auf den Gebrauch der Geschlechtseigenschaften des Gatten angewiesen wären wie er auf die ihren.
Nun aber, schließt der Besitz wechselseitiger Geschlechtseigenschaften auch jeweils die geschlechtliche Befriedigung des Partners mit ein? Seitens des Mannes offenbar ja, wenn er sich durch den Vaginalverkehr und die Ejakulation in seine Partnerin befriedigt. Seitens der Frau aber, wenn es keinen vaginalen Orgasmus gibt und der Mann sich auf den Vaginalverkehr beschränkt, offenbar nicht!
Versichert nicht sogar der versierte Psychoanalyst Isidor Sadger einmal: dass sogar bei Individuen, die – auch in der Ehe noch – „zur Onanie neigen und konstitutionell meist eine erheblich gesteigerte Sexualität aufweisen“, „selbst nach einer entsprechenden Herabsetzung noch genügend verbleibt, um alle ehelichen Pflichten zu erfüllen. Nicht selten erlebt man, dass exzessive Masturbanten in der Ehe mehr leisten, als ihren Frauen lieb ist“?
Hat sich aber was mit ehelichen Pflichten, wenn es bloß solche Pflichten sind, auf deren gewissenhafte Erfüllung die Frauen lieber verzichten, als dass sie sie von sich aus wünschten!
Was für eine bodenlose Naivität der Kantischen Ehemoral! Was für eine bodenlose Unbedarftheit der psychoanalytischen Schule!
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