Blog 89
Und wieder ertönt in der Erinnerung die Mahnung des Philosophen Kleanthes in Feuchtwangers Roman ,Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis': Wehe dem, der in den Schoß einer Hedonikerin fällt!
Die Hedonikerin – das ist die Klitoromanin, gewohnt, sich um ihres sexuellen Genüges willen chronisch selbst zu befriedigen, und vom Mann das Gleiche erwartend: ,Du brauchst mich zu deiner Befriedigung gar nicht', wird sie ihm erklären, ,du kannst es dir ja sehr gut selber besorgen. Zwischen Daumen und vier Fingern seid ihr eh besser dran!' Das ist es wohl, was Kleanthes zu verstehen geben wollte.
Es ist wie gesagt ein einziges Chaos. Ich erinnere mich, wie einmal in einer Runde versammelter Damen die – nur scheinbar naive – Frage aufkam, warum die Männer eigentlich immer in der weiblichen Vagina abspritzen wollen (– drückten sie sich wirklich so direkt oder aber etwas dezenter aus? jedenfalls war das der Sinn): Kann es sein, dass das der Hintergrund ihrer Frage war?
Verstanden die Damen, durch ihre eingerastete Selbsterfahrung gewitzt, mehr von der Sache und durchschauten sie tiefer, als man es ihnen zutrauen würde?
Bekanntlich ging man in früheren Zeiten weitestgehend davon aus, dass die Frauen überhaupt keine Sexuallust empfinden – ähnlich wie sie der orthodoxen Rechtgläubigkeit nach auch keine Seele haben sollten. Das Missverständnis ist insofern nicht weiter erstaunlich, als dann, wenn sie wirklich keine vaginale Lust kennen, das auf die Dauer sogar dem kopulierenden Mann auffallen musste.
Vielleicht spürten die Männer ja auch, dass ihr Gespons rein vaginal zu keinem Orgasmus kam – und von der Existenz des Kitzlers hatten sie eh keine Ahnung, oder zu wenig; das war und blieb eine weibliche Privatangelegenheit und Domäne. Irgendwann haben die Mannsbilder dann doch auch die Klit entdeckt, woraufhin es, um auch noch dieses irritierende Element zu beseitigen, bis heute zu den haarsträubendsten Genitalverstümmelungen, Vulvektomien, Klitoridektomien kam.
Frank Schätzing bemerkt in seinem Thriller ,Der Schwarm', in Anlehnung an den Film ,Mondsüchtig' mit Cher und Nicolas Cage, ganz ähnlich: „Jemand fragt, warum wollen Männer mit Frauen schlafen?“ Und die Auskunft da lautet: „Weil sie Angst vor dem Tod haben.“
Die Antwort ist wohl nicht ganz überzeugend, denn wir könnten es ja sogar auch dann noch wollen, wenn wir keine Angst vor dem Tod haben!
Überhaupt ist die richtige Antwort vermutlich weit weniger einfach als die ursprüngliche Frage! „Ich war immer der Meinung, dass man in der Liebe besitzen müsste, und habe immer Opposition gebildet gegen die Entsagungspoesie“, schreibt Heine. Sicher kommt das entsprechende Begehr weniger aus der Aussicht auf sexuelle Lust als mehr aus dem psychologischen Verlangen, eine Frau ganz – mit Haut und Haar – zu ,besitzen'. Mehr als einer Frau ein Kind zu machen, aber kann man doch gar nicht von ihr besitzen, und so ist, mit ihr zu schlafen, zumindest immer eine Annäherung dazu.
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