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Der weibliche Orgasmus in der männlichen Phantasie – 3?

freudholdriesenhar

Blog 47


Und so in zahllosen Beispielen aus der modernen Literatur. Das gilt sogar für die seriösesten Werke.

In Thomas Manns Erzählung ,Die vertauschten Köpfe' heißt es von der Ehe Sitas, der Protagonistin: „Denn mit der Zeit – der Zeit, die Sita und Schridaman vorerst im Vollgenusse der Sinnenlust, in unvergleichlichen Liebesfreuden verbrachten – wurde der begehrte und gewonnene Freundesleib (wenn man Nanda's Leib im Zeichen von Schridamans Haupt noch als den Leib des Freundes bezeichnen kann, da ja nun eigentlich der ferne Gattenleib zum Freundesleib geworden), – mit der Zeit also, und zwar in gar nicht langer Zeit, wurde der vom verehrten Gattenhaupt gekrönte Nanda-Leib auch an und für sich und von aller Maya ganz abgesehen ein anderer, indem er sich unter dem Einfluss des Hauptes und seiner Gesetze nach und nach ins Gattenmäßige wandelte. Das ist gemeines Geschick und das gewöhnliche Werk der Ehe: Sita's schwermütige Erfahrung unterschied sich in diesem Punkte nicht sehr von derjenigen anderer Frauen, die auch binnen kurzem in dem bequemen Gemahl den ranken und feurigen Jüngling nicht wiedererkennen, der um sie freite.“

Vollgenuss der Sinnenlust und unvergleichliche Liebesfreuden? – dass wir nicht lachen! Das hört sich an, als beruhe die koitale Lust der Geschlechter auf Gegenseitigkeit und als verzückte die intrigante Inderin in den gleichen ekstatischen Orgasmen wie angeblich der beglückte Gespons, dessen Lingam sich schlingernd in ihrer Yoni ergeht. In Wahrheit kann sie, wenn es keinen vaginalen Orgasmus gibt, auch beim Koitus mit des Freund Nandas schimärischem Leib nicht zu solcher Verzückung kommen, und muss auch mit dem neuen Mann, sofern sie nicht selbst massiv klitoridal nachbessert, auf dem Trockenen bleiben. Haben denn nicht einmal die versiertesten Autoren soviel Ahnung von den Frauen?

(De facto ist sich der große Thomas persönlich sehr wohl bewusst, dass er seine Frau Katja, eine angeheiratete Pringsheim, sexuell nicht zu befriedigen vermag. Folgen wir dazu dem Tagebucheintrag des erst 45-Jährigen vom 17. Oktober 1920: „Dankbarkeit gegen K., weil es sie in ihrer Liebe nicht im Geringsten beirrt oder verstimmt, wenn sie mir schließlich keine Lust einflößt und wenn das Liegen bei ihr mich nicht in den Stand setzt, ihr Lust, d. h. die letzte Geschlechtslust zu bereiten. Die Ruhe, Liebe und Gleichgültigkeit, mit der sie das aufnimmt, ist bewunderungswürdig, und so brauche auch ich mich nicht davon erschüttern zu lassen.“

Er kriegt bei ihr keinen mehr hoch, soll das heißen. Setzt ihn das Liegen bei ihr aber jetzt nicht in den Stand, ihr die letzte Geschlechtslust – den Orgasmus! – zu bereiten, dann war er dazu wohl auch von Anfang an nicht imstande. Sowie die Notiz vom 13. Mai 1921: „Umarmung mit K. Meine Dankbarkeit für die Güte in ihrem Verhalten zu meiner sexuellen Problematik ist tief und warm.“

Katja kann ihm keine Lust geben, bedeutet er seinen Lesern (– denn warum sonst hätte er sein Tagebuch der Nachwelt vermachen sollen, wenn anders er nicht damit gerechnet hätte, dass es auch Leser fände?), weil seine introvertierte Sexualität längst so auf Selbstbefriedigung getrimmt ist, dass er am Sex mit seiner Frau – oder überhaupt einer Frau? – prinzipiell kein Genüge mehr findet; und ebenso wenig kann er Katja einen Orgasmus verschaffen. Demnach sieht er als eine ganz eigene subjektive ,sexuelle Problematik' an, eine persönliche sexuelle Idiosynkrasie, was aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach aber nicht sowohl ein persönliches Defizit, als vielmehr ein allgemeinmenschlicher Gemeinplatz ist: dass zum einen der Koitus nicht hält, was die Onanie verspricht, und zum andern die Frauen durch den Vaginalverkehr allein noch nie befriedigt wurden.

Ist das aber eine Binsenweisheit und ein offenes Geheimnis, dann gibt es nicht einmal mehr Grund, den Damen sei's allgemein, sei's Katja im Besonderen für ,die Ruhe, Liebe und Gleichgültigkeit, mit der sie das aufnehmen', zu danken. Dankbar, tief und warm, müssen wir ihnen vielmehr deshalb sein, wenn sie uns unter diesen Umständen überhaupt noch fleischlich lieben!)

Und woher das tragikomische Schicksal der Lady Brett Ashley in Hemingways Roman ,The Sun Also Rises' – ,Fiesta' –, die unter der Impotenz ihres Geliebten, Jake Barnes, leidet: Wie kann sie so tragikomisch etwas vermissen, von dem sie, auch wenn es noch einwandfrei funktionierte, schnoddrig gesagt, sowieso nicht allzu viel hätte? (Im Grunde ist es also wohl das Mitleiden mit Jake, dass sie ihm als Liebende das, wonach es ihn trotz seines Handicaps immer noch verlangt, nicht mehr geben kann.)

Gegenstandslos demnach auch die Skrupel Hemingways, der seinem Biografen Carlos Baker zufolge einmal mit unverblümter Offenheit gestand, bei seiner zweiten Frau Pauline zum Coitus interruptus gezwungen gewesen zu sein, da weitere Kinder ihr Leben bedroht hätten und ihr durch ihren Katholizismus Empfängnisverhütung verboten war. In anderen Worten, der notorische Macho war gezwungen, wie Onan aus der Bibel ins Blaue hinein abzudrücken?

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