Blog 46
Da macht im Wesentlichen auch die moderne Literatur keinen Unterschied. Denken wir an den Roman ,La muerte de Artemio Cruz' – ,Nichts als das Leben' – des Mexikaners Carlos Fuentes, wo während der mexikanischen Revolution eine Frau von einem jungen Soldaten geschändet wird. Ob sie dabei nun wirklich orgasmierte oder nicht, – jedenfalls schien es ihr so sehr zu gefallen, dass sie von sich her zu ihres Peinigers Geliebten wurde.
Vergessen wir nicht der Stelle aus dem Roman ,Hundert Jahre Einsamkeit' des kolumbianischen Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez, wo die junge Rebeca unter karibischer Sonne vom Gemächt des herkulischen Arcadio Buendía in der Hängematte zermalmt wird: „,Komm her', sagte er. Rebeca gehorchte. Blieb an der Hängematte stehen. Eis schwitzend und spürend, wie sich ihre Eingeweide verknoteten, während José Arcadio mit den Fingerspitzen ihre Knöchel, dann ihre Waden und schließlich ihre Schenkel streichelte und murmelte: ,Ach Schwesterchen, ach Schwesterchen.' Sie musste sich übernatürlich anstrengen, um nicht zu sterben, als eine verblüffend beherrschte Zyklonenkraft sie an der Taille hochhob, sie mit drei Griffen ihrer Unterwäsche entledigte und sie zermalmte wie ein Vögelchen. Sie konnte noch gerade Gott für ihre Geburt danken, bevor sie in dem unbegreiflichen Genuss jenes unerträglichen Schmerzes das Bewusstsein verlor, während sie in dem dampfenden Sumpf der Hängematte plantschte, welche die Explosion ihres Blutes wie Löschpapier verschluckte.“
Die Explosion ihres Blutes – was wäre das anderes, wenn nicht die aus allen ihren jungfräulichen Vesikeln und Drüsen ihrer endogenen Drogen sprühende orgasmische Hexenmilch, die Neurotransmitter und Hormone, die sich unter Arcadios mächtigen Stößen öffnen wie sprühende Duschköpfe und Sprinkleranlagen?
Ja, können wir wirklich sicher sein, dass nicht auch die junge Gerty, als sie an Dublins Sandymount Strand dem schamlos voyeuristischen Leopold Bloom ihr Intimstes offenlegte, selber ihrer eigenen Erregung erlag? „… und sie lehnt sich zurück, und die Strumpfbänder sind passend blau wegen der durchsichtigen, und sie alle sehen sie und schreien: ,Seht mal da, da!', und sie lehnt sich weiter zurück, so weit sie kann, um das Feuerwerk zu sehen, und etwas Seltsames fliegt durch die Luft, ein weiches Etwas, hin und her, dunkel. Und sie sieht, wie in der tiefen Stille eine lange Leuchtkugelröhre hoch geht, über die Bäume saust, hoch und höher; sie alle sind atemlos vor Aufregung, als sie höher und höher steigt, und sie muss sich immer weiter nach hinten lehnen, um in die Höhe sehen zu können, denn sie steigt hinter ihr auf, ist kaum noch sichtbar, und göttliches, entzückendes Erröten überzieht ihr Gesicht, weil sie sich so sehr zurücklehnt, und jetzt kann er alles andere auch sehen, Batisthose, das Gewebe, das die Haut liebkost, viel besser als die andern Hosen, die grünen, vier und elf, weil sie weiß sind, und sie lässt ihn, und sie sieht, dass er sieht, und dann steigt sie so hoch, so hoch, dass man sie für einen Augenblick gar nicht sehen kann, und sie zittert an jedem Glied, weil sie sich so nach hinten gebeugt hat, dass er weit über das Knie hinaus alles sehen kann, bis dahin, was noch keiner sah, nicht einmal auf der Schaukel oder beim Waten, und sie schämt sich nicht, und er ebensowenig, dass er so unverschämt hinsieht, aber er kann dem Anblick der wundervollen Enthüllung nicht widerstehen, die sich ihm bietet, wie bei den Schleiertänzerinnen, die sich so unanständig vor den guckenden Herren benehmen, und er sieht immer wieder hin, immer nur dahin. Gern würde sie ihn rufen, aber sie erstickt fast, hätte ihre schneeweißen, schlanken Arme nach ihm ausgestreckt, seine Lippen auf ihrer weißen Stirn gefühlt, es wäre der Schrei junger Mädchenliebe, ein kleiner erstickter Schrei, der sich ihr entringen würde, derselbe Schrei, der durch alle Zeiten klingt. Und dann fliegt eine Rakete hoch, und ein heller Knall und O! – dann birst die Leuchtkugelröhre und alles seufzt O! und jeder schreit O! O! voller Begeisterung, und aus ihr heraus bricht ein Strom goldenen, haarfeinen Goldregens und sie teilen sich und ah! jetzt sind es lauter grünliche, tauähnliche Sterne, die herabfallen mit goldenen O! so herrlich! A! so weich, süß, weich!“ –
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